06.02.2018

Zukunftsweisender Tarifabschluss in Metall- und Elektroindustrie

Zeitlich begrenzte Arbeitszeitreduzierung durchgesetzt

Im Tarifgebiet Baden-Württemberg haben sich die IG Metall und die Arbeitgeberverbände auf den Abschluss eines Tarifvertrages für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie verständigt. Eine der zentralen gewerkschaftlichen Position in den Tarifverhandlungen war, – neben mehr Geld – die Forderung einer zeitlich begrenzten Arbeitszeitreduzierung der Beschäftigten auf 28 Wochenstunden bei einem anteiligen Lohnausgleich, um Arbeit und Familie besser unter einen Hut bringen zu können. Hier konnte die IG Metall weitgehende Zugeständnisse erreichen.

Streiken lohnt sich
Mit dem Tarifabschluss ist eine der längsten und härtesten Tarifauseinandersetzungen der letzten Jahre beendet worden. Über sechs Verhandlungsrunden wurde gestritten. Es fanden Warnstreiks und vielfältige andere Aktionen der Gewerkschaft statt. Zuletzt rief die IG Metall bundesweit in rund 250 Betrieben zu
24-stündigen Warnstreiks auf, an denen sich rund 1 Millionen Beschäftigte beteiligten. Damit hat die Gewerkschaft nach langer Zeit wieder die Verkürzung der Arbeitszeit als zentrale Frage in den Mittelpunkt von Tarifverhandlungen gerückt.

Die Arbeitgeberseite hatte sich bis zuletzt gegen die Möglichkeit zur Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit gestellt. Ganz offensichtlich haben die verschiedenen Streikaktionen und der damit einhergehende wirtschaftliche Schaden für die Arbeitgeber (Ökonomen sprechen von einem zumindest vorübergehenden Umsatzverlust von rund einer Milliarde Euro) und die Androhung von unbegrenzten Streiks jedoch so viel Druck aufgebaut, dass sich die IG Metall in vielen Punkten durchsetzen konnte. Dies zeigt: Gewerkschaft lohnt sich, wenn diese konsequent und hartnäckig verhandelt und einen Großteil der Beschäftigten hinter sich weiß.

Was hat die IG Metall erreicht?
Konkret haben die Tarifvertragsparteien folgende Punkte im Tarifvertrag vereinbart:

1.    Möglichkeit der begrenzten Arbeitszeitreduzierung:
In dieser zentralen Frage konnte die IG Metall weitgehende Zugeständnisse erreichen. Alle Vollzeitbeschäftigen haben nach dem neuen Tarifvertrag grundsätzlich die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit vorübergehend von 35 auf 28 Stunden in der Woche zu reduzieren für einen Zeitraum von einem halben bis zu zwei Jahren. Dieser Anspruch kann allerdings unter bestimmten Voraussetzungen verweigert werden, bspw. wenn mehr als 10 % der Beschäftigten in einem Betrieb ihre Arbeitszeit vorübergehend verkürzen wollen oder bereits 18 % in Teilzeit arbeiten. Im Gegenzug erhalten die Arbeitgeber die Möglichkeit, die Arbeitszeit von anderen Beschäftigten im Betrieb auf bis zu 40 Wochenstunden zu erhöhen.

Für bestimmte Beschäftigungsgruppen (Eltern mit Kindern bis acht Jahren, Beschäftigte mit pflegebedürftigen Angehörigen oder Beschäftigte in Schichtarbeit) besteht die Möglichkeit, das tarifliche Zusatzgeld in acht zusätzliche freie Tage umzuwandeln. Da das tarifliche Zusatzgeld nur einem Äquivalent von sechs Arbeitstagen entspricht, aber insgesamt acht freie Tage gewährt werden, ist über diese Regelung auch ein teilweiser Lohnausgleich mit durchgesetzt worden. Sofern sich Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam darauf verständigen, kann diese Regelung für alle Beschäftigten eines Betriebes übernommen werden.

2.    Mehr Geld: Die Tarifbeschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg erhalten ab April 2018 4,3 % mehr Geld und ab 2019 ein tarifliches Zusatzgeld in Höhe von 27,5  % eines Monatsentgelts, das jeweils im Juli ausgezahlt wird. Der Tarifvertrag sieht darüber hinaus eineEinmalzahlung in Höhe von 100 Euro für die Monate Januar bis März 2018 vor sowie einen Festbetrag von 400 Euro, der spätestens im Juli 2019 fällig wird. Insgesamt bedeutet dies eine Lohnsteigerung von 7,7 % für den gesamten Zeitraum bis März 2020.

3.    Laufzeit: Der Tarifvertrag gilt bis März 2020 und gibt somit der Arbeitgeberseite Planungssicherheit. Die IG Metall wollte ursprünglich eine kürzere Laufzeit, hat sich aber angesichts der übrigen Zugeständnisse der Arbeitgeberseite auf eine Verlängerung der Laufzeit eingelassen.

Modellabschluss für die anderen Bundesländer
Auch wenn die IG Metall nicht alle Forderungen 1:1 durchsetzen konnte, hat sie doch in wesentlichen Punkten deutliche Verbesserungen erreicht. Der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, nennt daher den Tarifabschluss einen Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen selbstbestimmten Arbeitszeit und insofern zukunftsweisend. Der Tarifvertrag in Baden-Württemberg gilt als Modellabschluss auch für andere Bundesländer, so dass davon auszugehen ist, dass die Tarifvertragsparteien in den übrigen Bundesländern ihn in seiner Grundrichtung übernehmen werden. Weitere Informationen zum Tarifabschluss finden sich unter: https://www.igmetall.de/tarifabschluss-metall-und-elektroindustrie-26913.htm

BGHP Betriebsratsberater-Team, 06.02.2018