08.02.2018

Koalitionsverhandlungen abgeschlossen

Die wichtigsten Ergebnisse im Arbeitsrecht

Nach langem Ringen haben sich CDU/CSU und SPD nun auf einen Koalitionsvertrag verständigt. Vorbehaltlich einer Zustimmung der SPD-Mitglieder steht damit die neue alte „große Koalition“ (GroKo). Bis zuletzt gab es Streit um einzelne Themen, vor allem auch im Bereich des Arbeitsrechts. Hier wurde insbesondere die SPD-Forderung nach einer Abschaffung von sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnissen sehr kontrovers diskutiert.

Im Kapitel V des Koalitionsvertrages werden unter der Überschrift „Gute Arbeit, breite Entlastung und soziale Teilhabe sichern“ Eckpunkte der künftigen Koalition für den Bereich des Arbeitsrechts bzw. der Arbeitsmarktpolitik dargestellt. Zentral sind dabei vor allem die folgenden Punkte:

1.    Bekenntnis zur Vollbeschäftigung:
Der Abschnitt zum Thema Arbeit beginnt mit einem allgemeinen Bekenntnis der GroKo zum Ziel der Vollbeschäftigung. Dazu gehört nach Ansicht der Koalitionspartner vor allem, dass Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, wieder eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt eröffnet wird. Die soll u.a. durch Qualifizierungsmaßnahmen sowie Vermittlung und Reintegration von Langzeitarbeitslosen erfolgen:
Innerhalb von drei Monaten nach entstandener Arbeitslosigkeit soll die Bundesagentur für Arbeit mit den betroffenen Menschen Maßnahmen entwickeln, um deren Beschäftigungsfähigkeit nachhaltig zu fördern. Zum Erreichen dieser Ziele sollen mehr finanzielle Mittel verwendet werden als bislang. Ob dieses Bekenntnis zur Vollbeschäftigung und Überwindung von Langzeitarbeitslosigkeit mehr als eine unverbindliche Absichtserklärung ist, wird sich zeigen.

2.    Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens für Betriebe bis 100 Beschäftigte:
Die GroKo möchte die Gründung von Betriebsräten erleichtern. Daher soll das vereinfachte Wahlverfahren künftig auch für Betriebe mit einer Beschäftigungsgröße von 51 bis 100 Arbeitnehmern verpflichtend sein. In Betrieben mit 101 bis 200 Beschäftigten soll künftig das vereinfachte Wahlverfahren ebenfalls angewendet werden können, soweit sich Arbeitgeber und Wahlvorstand gemeinsam darauf verständigen.

Bislang wird das vereinfachte Wahlverfahren nach § 14a BetrVG lediglich in Betrieben mit einer Beschäftigtengröße zwischen fünf und fünfzig wahlberechtigten Arbeitnehmern angewendet. Bei einer Betriebsgröße von 51 bis 100 Arbeitnehmern können sich Arbeitgeber und Wahlvorstand derzeit gemeinsam auf das vereinfachte Verfahren verständigen. Dessen Vorteil ist, dass es deutlich schneller durchzuführen ist als das normale Wahlverfahren, da viele Fristen verkürzt sind und damit weniger Zeit für mögliche Störmanöver der Arbeitgeber bleibt. Ob eine solche Regelung tatsächlich dazu führt, dass mehr Betriebsräte gebildet werden, bleibt abzuwarten.

Um die Gründung von Betriebsräten zu forcieren, hatte die Bundestagsfraktion der LINKEN bereits 2015 einen Reformantrag des BetrVG eingebracht, der aber bedauerlicherweise keine Mehrheit fand [Mehr dazu hier]. Er sieht unter anderen vor, dass in allen Betrieben, in denen Betriebsräte gewählt werden können, einmal im Jahr verpflichtende Informationsveranstaltungen stattfinden, auf denen über die Voraussetzungen zur Wahl von Betriebsräten informiert wird. Dies wäre sicherlich eine bessere Stellschraube gewesen, um mehr Betriebsräte zu gründen, als nur ein etwas schnelleres Wahlverfahren.

3.    Sachgrundlose Befristungen eingeschränkt:
Eine vollständige Abschaffung der sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG konnte die SDP leider nicht im Koalitionsvertrag durchsetzen. Stattdessen soll diese eingeschränkt werden – zumindest bei Unternehmen mit mehr als 75 Beschäftigten. In solchen Unternehmen dürfen künftig maximal 2,5 % der Beschäftigten ohne einen Sachgrund befristet werden. Soweit die Quote überschritten wird, gilt jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet zustande gekommen.

Weiterhin darf eine sachgrundlose Befristung künftig nur noch bis zu einer Maximaldauer von 18 Monaten erfolgen – statt bislang 24 Monate. Innerhalb dieses Zeitraumes soll in Zukunft das sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis nur noch einmal verlängert werden können. Derzeit ist dies bis zu dreimal zulässig.

Auch bei Befristungen mit Sachgrund gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG will man künftig endlosen Kettenbefristungen entgegenwirken. Eine Befristung soll nicht mehr zulässig sein, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein unbefristetes oder ein oder mehrere befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Gesamtdauer von fünf oder mehr Jahren bestanden. Für bestimmte Berufsgruppen sind Ausnahmen geplant (bspw. Künstler oder Profisportler). Bei der neuen Höchstdauer von Befristungen mit Sachgründen zählen künftig auch Einsatzzeiten als Leiharbeitnehmer mit.

Diese Regelungen gehen sicherlich in die richtige Richtung, bleiben aber hinter den Erwartungen vieler Arbeitnehmer und Gewerkschaftler zurück. Ob damit befristete Arbeitsverhältnisse insgesamt zurückgedrängt werden und künftig wieder das unbefristete Arbeitsverhältnis der Normalfall sein wird, darf bezweifelt werden.

4.    Tariföffnungsklausel im Arbeitszeitgesetz
Die Koalitionspartner wollen in das Arbeitszeitgesetz eine Tariföffnungsklausel einfügen. Diese soll es tarifgebundenen Unternehmen ermöglichen, mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zu schließen, um die wöchentlichen Höchstarbeitszeiten flexibler zu gestalten und dadurch auf betriebliche Bedürfnisse besser regieren zu können. Das birgt allerdings die Gefahr, dass über diese Tariföffnungsklausel die betrieblichen Arbeitszeiten noch weiter als bisher ausgedehnt werden. Hier werden künftig Betriebsräte besonders gefragt sein, um die Arbeitnehmer effektiv vor einer Aushebelung der Höchstarbeitszeiten, die im Dienste des Gesundheitsschutzes einst eingefügt wurden, zu schützen.

5.    Recht auf befristete Teilzeit
Im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) soll künftig ein Recht auf befristete Teilzeit geschaffen werden, um Arbeit und Familie besser vereinbaren zu können. Bislang ist es nicht möglich, die Arbeitszeit befristet zu verkürzen. Es gibt zwar einen Anspruch auf Reduzierung, aber keinen, die einmal verkürzte Arbeitszeit nachträglich wieder zu erhöhen. Nach § 9 TzBfG besteht nur ein Anspruch auf besondere Berücksichtigung (bei gleicher Eignung), soweit freie Vollzeitarbeitsplätze zu besetzen sind. Dies soll sich nun für Unternehmen mit mehr als 45 Beschäftigten ändern (mit Einschränkungen für mittlere Unternehmen mit bis zu 200 Beschäftigten).

Der vollständige Koalitionsvertrag ist hier zu finden: //www.tagesspiegel.de/downloads/20936562/4/koav-gesamttext-stand-070218-1145h.pdf

Wie geht es weiter?
All diese Vereinbarungen müssen noch in Gesetzesform gegossen werden. Es bleibt also abzuwarten, ob den Ankündigungen des Koalitionsvertrages tatsächlich auch Taten folgen. Die Einschränkung von sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen und die Möglichkeit einer zeitlich befristeten Reduzierung der Arbeitszeit sind sicherlich richtige Ansätze, auch wenn hier noch weitergehende Regelungen wünschenswert und notwendig gewesen wären. Ob und wie die geplanten Änderungen im Koalitionsvertrag zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Praxis führen, bleibt abzuwarten und hängt sicherlich auch vom Engagement der Gewerkschaften und Betriebsräte in diesen Fragen ab.

BGHP Betriebsratsberater-Team 08.02.2018