Zugang einer Kündigung
Wie und wann geht eine Kündigung „zu“?
Die Kündigung ist, wie eingangs erwähnt, eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst dann wirksam wird, wenn sie dem anderen Vertragspartner auch zugegangen ist (§ 130 BGB). Im Zweifel muss der Kündigende beweisen, dass die Kündigung auch zugegangen ist. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob der Empfänger mit der Kündigung einverstanden ist, oder nicht. Der Zugang der Kündigung ist in der Praxis von erheblicher Bedeutung:
Das Gesetz unterscheidet beim Zugang von Kündigungen zwischen dem „Zugang unter Anwesenden“ und dem „Zugang unter Abwesenden“.
Bei Anwesenden ist der Zugang in der Regel mit der Übergabe des Schriftstückes vollzogen. In der Praxis werden hierfür häufig Beendigungsgespräche („Exit-Meetings“) geführt, wobei in der Regel ein oder auch mehrere Zeugen anwesend sind. Dabei kann es vorkommen, dass sich Arbeitgeber den Erhalt der Kündigung per Unterschrift quittieren lassen wollen. Eine Pflicht dazu besteht nicht. Insbesondere ist die Unterschrift des Gekündigten nicht zur Wirksamkeit der Kündigung erforderlich, da die Kündigung eine einseitige Erklärung ist und nicht etwa ein zweiseitiger Vertrag, wie z.B. der Aufhebungsvertrag.
Ein häufiger Streitpunkt in der Praxis ist die „Kündigung unter Abwesenden“. Eine Kündigung unter Abwesenden geht erst dann zu, wenn sie so in den Einflussbereich des Kündigungsempfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen von ihr Kenntnis nehmen kann. Unerheblich ist es dabei, ob er zu diesem Zeitpunkt auch tatsächlich von ihr Kenntnis genommen hat.
Wann geht ein „normaler“ Brief zu?
Wird ein Brief vom Postboten in den Briefkasten geworfen, gilt er zu dem Zeitpunkt als zugegangen, zu dem der Briefkasten üblicherweise geleert wird. Das BAG vertrat vor geraumer Zeit den Standpunkt, gegen 16:30 Uhr werde allgemein keine Post mehr zugestellt, weshalb bei einer nach 16:30 Uhr eingeworfenen Kündigung erst von einem Zugang am nächsten Tag ausgegangen werden könne (vgl. BAG, Urteil vom 08.12.1983, 2 AZR 337/82), das BAG wörtlich:
„Nach den Gepflogenheiten des Arbeitslebens konnte von der Klägerin ungeachtet ihres Gesundheitszustandes nach dem Einwurf des Kündigungsschreibens in ihren Wohnungsbriefkasten gegen 16.30 Uhr an diesem Tag keine Nachschau mehr erwartet werden. Zu dieser Tageszeit wird allgemein keine Post mehr zugestellt.“
In der Praxis kommt es, wie so oft, auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die örtlichen „Zustellungsgewohnheiten“. So hat bspw. das LAG Köln entschieden, dass ein Kündigungsschreiben, das nach 16:00 Uhr in den Briefkasten des Arbeitnehmers eingeworfen wird, nicht mehr am Tag des Einwurfs zugeht (vgl. LAG Köln, Urteil vom 17.09.2010, 4 Sa 721/10). Im zu entscheidenden Fall hatte der gekündigte Arbeitnehmer unter Vorlage von Bestätigungen verschiedener, nach dem von ihm eingereichten Lageplan in seiner Nachbarschaft wohnender Personen dargetan, dass die Post in die Briefkästen der Anlieger stets in den Vormittagsstunden eingelegt werde. Die Arbeitgeberin ist dem nicht ausreichend entgegengetreten.
In einem aktuellen Fall hat das BAG mit Urteil vom 22.08.2019 (2 AZR 111/19) ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 14.12.2018 (9 Sa 69/18) aufgehoben, da es sich nicht ausreichend mit den örtlichen Postzustellungsgepflogenheiten auseinandergesetzt hat. Im zu entscheidenden Fall wohnte der gekündigte Arbeitnehmer in einem elsässischen Dorf. Er war bzw. ist bei einem Unternehmen in Baden-Württemberg beschäftigt. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos und warf die Kündigung in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers an einem Freitag um 13:25 Uhr (27. Januar 2017) ein. Der Arbeitnehmer leerte nach seinen (unbestrittenen) Angaben seinen Briefkasten an dem Tag nicht mehr. Die Postzustellung in seinem Wohnort endet nach seinen Angaben um 11:00 Uhr. Mit seiner am 20. Februar 2017 (Montag) beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Geht man von einem Kündigungszugang am 27. Januar 2017 aus (Datum des Einwurfes der Kündigung), so wäre die Klage nicht rechtzeitig innerhalb der vorgeschriebenen Drei-Wochen-Frist beim Gericht eingegangen und somit bereits als unzulässig abzuweisen gewesen. Das LAG Baden-Württemberg (und auch die Vorinstanz) wiesen die Klage allein deswegen ab.
Das BAG hielt dies für unzureichend:
„Die Frage nach einer Verkehrsanschauung kann regional unterschiedlich zu beurteilen sein und die Antwort kann sich im Lauf der Jahre ändern (BGH 20. November 2008 – IX ZR 180/07 – Rn. 28). Die Fortdauer des Bestehens oder Nichtbestehens einer Verkehrsanschauung wird nicht vermutet (BGH 1. Oktober 1992 – V ZR 36/91 – zu III der Gründe). Zu den tatsächlichen Grundlagen einer gewandelten Verkehrsanschauung muss das Landesarbeitsgericht Feststellungen treffen (vgl. BAG 22. März 2012 – 2 AZR 224/11 – Rn. 34).“
An dieser aktuellen BAG-Entscheidung sieht man, wie wichtig die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles, auch in Bezug auf den Zugang der Kündigung, sind.
Wann geht ein „Übergabe-Einschreiben“ zu?
Eine durch einen Einschreibebrief zugesandte Kündigung geht mit Übergabe, bzw. wenn Niemand angetroffen wurde, erst mit der Aushändigung durch die Post zu. Wenn also der Postbote den Erklärungsempfänger oder eine zum Empfang berechtigte Person nicht antrifft und einen Abholschein im Briefkasten hinterlässt, gilt die Kündigung erst zum Zeitpunkt der Abholung des Einschreibebriefes beim Postamt als zugegangen (vgl. BAG vom 24.10.1985 – DB 86, 652). Bei der Versendung per Einschreiben steckt nämlich der Postbote nicht die Willenserklärung, sondern nur den Benachrichtigungszettel in den Hausbriefkasten. Durch den Benachrichtigungszettel wird der Empfänger („Gekündigte“) lediglich in die Lage versetzt, das Einschreiben in seinen Machtbereich zu bringen. Die Niederlegung des Einschreibens bei der Post und die Benachrichtigung des Empfängers von der Niederlegung können deshalb den Zugang der Willenserklärung nicht ersetzen. Zugegangen ist das Einschreiben deshalb erst mit der Aushändigung des Originalschreibens durch die Post.
Allerdings darf der Arbeitnehmer die Rechtzeitigkeit der Kündigung nicht treuwidrig verzögern, zum Beispiel in dem er einen Einschreibebrief nicht unverzüglich vom Postamt abholt. Macht er dies trotzdem, so muss er sich so behandeln lassen, als habe der Absender die entsprechenden Fristen gewahrt (vgl. BAG, Urteil vom 25.04.1996 – 2 AZR 13/95). Eine treuwidrige Verzögerung könnte vorliegen, wenn der zu Kündigende weiß, dass eine Kündigung beabsichtigt ist, bspw. weil es vorab zu einer schwerwiegenden Verfehlung gekommen ist, die Kündigung in Kenntnis der Benachrichtigung aber dennoch nicht abgeholt wird. Für eine treuwidrige Verzögerung ist grundsätzlich der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet.
Wird dann das Einschreiben, ohne „treuwidrige Verzögerung“ nicht innerhalb einer Woche abgeholt, geht es an den Absender wieder zurück. Das Schreiben ist auch dann nicht zugegangen.
Wann geht ein „Einwurf-Einschreiben“ zu?
Bei der Variante des Einwurf-Einschreibens hinterlässt der Postzusteller das Einschreiben auch dann, wenn der Mitarbeiter nicht angetroffen wird. Über den Zustellvorgang fertigt der Postzusteller einen Beleg an. Der Arbeitgeber kann dann sowohl auf einen Einlieferungs- als auch einen Auslieferungsbeleg zurückgreifen, um den Zugang der Kündigung nachzuweisen.
In der Rechtsprechung wird teilweise vertreten, dass bei nachgewiesener Absendung eines Einwurf-Einschreibens ein Anscheinsbeweis für dessen Zugang herzuleiten ist. Einlieferungs- als auch Auslieferungsbeleg führten zu einer starken Indizwirkung für den tatsächlich erfolgten Zugang der Sendung (vgl. nur LAG MV, Urt. v. 12.03.2019 – 2 Sa 139/18).
Diese Rechtsprechung ist nicht überzeugend: Wenn ein Einschreiben aufgeben wird, erhält der Auftraggeber bestenfalls nach ein paar Tagen einen Beleg eines Postmitarbeiters zurück, dass er einen Briefumschlag in einen bestimmten Postkasten geworfen hat. Allerdings beweist dieses Schriftstück nicht, was sich in dem Briefumschlag befunden hat.
Was versteht man unter einer Zustellung durch einen Boten?
Die vorgenannten Zustellungsarten bergen eine Menge Risiken. Um diese zu vermeiden, beauftragen Arbeitgeber häufig Boten, z.B. Kurierdienste oder Mitarbeiter*innen des Unternehmens damit, die Kündigung in den Briefkasten des zu Kündigenden zu werfen.
Wird die Kündigungserklärung dem Empfänger durch einen einfachen Brief per Boten zugesandt, geht sie in dem Moment zu, in dem sie dem Erklärungsempfänger oder einer zum Empfang berechtigten Person (z.B. Ehefrau des Arbeitnehmers bei Kündigung durch den Arbeitgeber) ausgehändigt bzw. beim Nichtantreffen, in den Briefkasten gelegt wurde.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um „geschäftsübliche“ Zustellungszeiten handelt. Nach 16:00 Uhr könnte dies problematisch werden.
Geht eine Kündigung auch dann zu, wenn ich im Urlaub bin?
Das BAG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass zugunsten der Rechtssicherheit zu generalisieren ist:
„Eine verkörperte Willenserklärung ist zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen.“
(vgl. Urteil vom 22.03.2012, 2 AZR 224/11)
Es kommt mithin beim Zugang der Kündigung nicht auf die individuellen Umstände an: auch demjenigen, der krank im Bett liegt oder gerade im Urlaub ist, kann grundsätzlich eine Kündigung zugestellt werden. Als Arbeitnehmer*in ist man in einer solchen Situation allerdings nicht schutzlos, in § 5 Abs. 1 KSchG findet sich nämlich folgende Schutznorm:
„War ein Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen.“
Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass ggf. ein Antrag möglich ist, der eine verspätete Klage (ausnahmsweise) noch zulässt. In einer solchen Situation ist äußerste Eile geboten. Sie sollten sich in solchen Fällen sofort zu einem unserer Rechtsanwälte durchstellen lassen und unbedingt bereits gegenüber dem Sekretariat die Eilbedürftigkeit und Dringlichkeit hervorheben.