15.04.2016

Mitbestimmung beim betrieblichen Eingliederungsmanagement

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG erfasst aufgrund der Rahmenvorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX (betriebliches Eingliederungsmanagement – BEM) nur die Aufstellung von Verfahrensgrundsätzen, mit denen geklärt werden soll, wie die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Es besteht allerdings kein Mitbestimmungsrecht bei der tatsächlichen Umsetzung der Maßnahmen (BAG, Beschluss vom 22.03.2016 – 1 ABR 14/14).

Der Fall

Die Betriebsparteien streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs. Dieser sieht für die Durchführung des BEM die Bildung eines Integrationsteams vor, bestehend aus je einem Vertreter der Arbeitgeberin und des Betriebsrats. Das Integrationsteam hat das BEM mit dem betroffenen Arbeitnehmer durchzuführen, konkrete Maßnahmen zu beraten, der Arbeitgeberin vorzuschlagen und den nachfolgenden Prozess zu begleiten. Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle festzustellen.

Die Entscheidung

Sowohl das LAG als auch das BAG gaben der Arbeitgeberin Recht: Die Einigungsstelle hat ihre Zuständigkeit überschritten. Ihr Spruch hat sich nicht auf die Ausgestaltung des BEM beschränkt. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG erfasst jedoch aufgrund der Rahmenvorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zum BEM nur die Aufstellung von Verfahrensgrundsätzen zur Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Die tatsächliche Umsetzung der Maßnahmen ist dagegen allein Sache der Arbeitgeberin. Eine Beteiligung des Integrationsteams hieran ist mangels Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats durch Spruch nicht möglich.

Praxistipp

Betriebsräte sollten sich durch diese Entscheidung auf keinen Fall entmutigen lassen, ihre Beteiligung bei der Durchführung des BEM einzufordern. Zwar können durch einen Spruch der Einigungsstelle nur Regelungen geschaffen werden, bei denen der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht hat. Dieses hat das BAG hier gerade für die tatsächliche Durchführung des BEM abgelehnt. Die wenigsten Betriebsvereinbarungen werden jedoch durch Spruch der Einigungsstelle verabschiedet. In den meisten Fällen gelingt vorher eine Einigung. In deren Rahmen kann man sich – selbstverständlich – im Wege eines gegenseitigen Gebens und Nehmens darauf verständigen, dass ein Integrationsteam oder der Betriebsrat bei der Durchführung des BEM mitmacht. Und wenn die Beteiligung erst einmal in einer „Betriebsvereinbarung BEM“ niedergelegt ist, kann der Betriebsrat sie auch – unabhängig davon, ob ihm ein Mitbestimmungsrecht zusteht – nach § 77 Abs. 1 BetrVG durchsetzen, bei hartnäckiger Weigerung des Arbeitsgebers sogar gerichtlich.

Daher gilt für alle Verhandlungen: Der Kompromiss steht am Ende und nicht am Anfang. Keine Seite kommt am Ende aus den Verhandlungen und hat alles bekommen, was sie wollte. Doch wer schon mit abgespeckten Forderungen in die Verhandlung geht, kommt am Ende mit noch weniger heraus. Deshalb sollte der Betriebsratsentwurf für eine „Betriebsvereinbarung BEM“ auf jeden Fall vorsehen, dass der Betriebsrat – auf welche Weise auch immer – in die Durchführung des BEM eingebunden ist. Vor einem Spruch in der Einigungsstelle lässt sich immer noch auf diesen Punkt verzichten. Doch bis dahin sollte sie unbedingt Bestandteil der Verhandlungen sein.

BGHP-Betriebsratsberater-Team