Auswahlrichtlinien

Nach § 95 BetrVG bedürfen Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrates.

Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Was sind Auswahlrichtlinien?

Unter Auswahlrichtlinien versteht man üblicherweise abstrakt und generell formulierte Vorgaben und Wertsetzungen, welche fachlichen, persönlichen oder sozialen Voraussetzungen bei personellen Einzelmaßnahmen vorliegen müssen oder nicht vorliegen dürfen.

Richtlinien liegen insbesondere auch dann vor, wenn sie nur auf einen konkreten betrieblichen Anlass (z.B. eine bestimmte Betriebsänderung oder Massenentlassung) zu beziehen sind. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entgegen der Rechtsprechung einiger Landesarbeitsgerichte in der Entscheidung „Unterlassungsanspruch bei Sozialauswahlrichtlinien“ vom → 26.07.2005 – 1 ABR 29/04, AP Nr. 43 zu § 95 BetrVG 1972 anerkannt.

Sozialauswahlrichtlinien liegen danach auch dann vor, wenn der Arbeitgeber einseitig eine bestimmte Bepunktung für soziale Daten im Zusammenhang mit Kündigungen aufgestellt hat, wie dies bei der Sozialauswahl nach Kündigungsschutzgesetz auch üblich ist.

Gibt es im Unternehmen Auswahlrichtlinien?

Auswahlrichtlinien sind Regeln und Grundsätze über die zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte, die bei der personellen Einzelmaßnahme zugrunde gelegt werden.

Da Arbeitgeber in der Regel nicht willkürlich handeln, sondern bestimmte Wertentscheidungen ihren Einstellungs- und Versetzungsentscheidungen oder auch Kündigungsentscheidungen zugrunde liegen, stellen sie in aller Regel solche Auswahlrichtlinien auf.

Konfrontiert der Betriebsrat den Arbeitgeber mit dem Verlangen, Richtlinien mit ihm abzustimmen, verneinen Arbeitgeber oft die Existenz von solchen Richtlinien. Es ist aber zu beachten, dass Richtlinien nicht zwingend schriftlich vorliegen müssen. Andererseits kommt dies in der Praxis oft vor. Betriebsräte müssen daher genau prüfen, ob es nicht ohnehin Personalvorgaben oder Richtlinien gibt, die die personalentscheidenden Stellen im Unternehmen und Betrieb anwenden sollen oder müssen. Dies sind alle schriftlichen oder mündlich kommunizierten Vorgaben über fachliche, persönliche oder soziale Voraussetzung für die personellen Einzelmaßnahmen. Auswahlrichtlinien liegen auch dann vor, wenn diese vom Arbeitgeber nicht so, oder anders bezeichnet werden. In diesem Fall liegen Auswahlrichtlinien im Sinne von § 95 BetrVG vor.

Aufstellung von Auswahlrichtlinien ohne Zustimmung des Betriebsrates

Stellt der Arbeitgeber Richtlinien über die personelle Auswahl einseitig, ohne Zustimmung des Betriebsrats oder Genehmigung durch Spruch der Einigungsstelle auf, so sind die sodann vorgenommenen Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen rechtswidrig und damit unwirksam.

Die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung ist auch insoweit konsequent anzuwenden. Diese vom Großen Senat und allen weiteren Senaten des Bundesarbeitsgerichts angewendete Theorie im Bereich der zwingenden Mitbestimmung sichert die Arbeitnehmer vor nachteiligen Maßnahmen, die der Arbeitgeber einseitig im Bereich der zwingenden Mitbestimmung trifft.

Initiativrecht in Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern

In Betrieben mit mehr als  500 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien über die bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkten verlangen.

Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Der Betriebsrat hat somit in größeren Betrieben auch ein Initiativrecht.

Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bei Kündigungen

Das Gesetz selbst enthält keine Definition des Begriffs „Auswahlrichtlinien“. Die Praxis verengt das Thema oft auf so genannte Sozialauswahlrichtlinien im Sinne des § 1 Abs. 4 und 5 KSchG.

Da der Arbeitgeber bei Massenentlassungen in der Regel sozialauswahlpflichtig nach dem Kündigungsschutzgesetz ist, kommt es oft zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zur Vereinbarung über Sozialauswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG.

Das Bundesarbeitsgericht hat für diese Fälle einen Unterlassungsanspruch gegen geplante Kündigungen anerkannt, wenn der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigungen Sozialauswahlrichtlinien mit dem Betriebsrat nicht vereinbart hat.

Insoweit können Betriebsräte die Vereinbarung von Sozialauswahlrichtlinien auch zu ihren Gunsten nutzen, insbesondere als Instrument der Verzögerung von geplanten Kündigungen und/oder als Druckmittel zur Erhöhung von Sozialplanabfindungen.

Widerspruchsgrund nach § 102 Abs. 3 Nr. 2 und Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 2

Auch die Vereinbarung eines bloßen Negativkatalogs, in dem festgelegt wird, welche Voraussetzungen bei der Durchführung der Maßnahme nicht vorliegen dürfen oder außer Betracht zu bleiben haben, stellt eine Auswahlrichtlinie dar.Je konkreter und vollständiger die Richtlinien gefasst werden, desto genauer wird die jeweilige konkrete personelle Einzelmaßnahme vorher bestimmt.

Nur wenn der Betriebsrat bei Auswahlrichtlinien sein Mitbestimmungsrecht ausübt, gewinnen die Verweigerungs- und Widerspruchsgründe nach § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG für den Fall der Einstellung, Versetzungen und Umgruppierungen und nach § 102 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG für den Fall der Kündigungen an Bedeutung.

Auswahlrichtlinien bei Anwendung von Personalinformationssystemen

Ein Mitbestimmungsrecht ist auch bei der Anwendung von Personalinformationssystemen gegeben, die durch entsprechende Verknüpfung von Daten eine personelle Entscheidung vorbereiten, wenn und soweit die für die Auswahl maßgebenden Kriterien und Anhaltspunkte im Personalinformationssystem hinterlegt werden.

Neben § 95 BetrVG kommen bei Personalinformationssystemen vor allem Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, ohne technische Einrichtungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und § 94 BetrVG in Betracht.

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