Verhaltensbedingte Kündigung
Was versteht man unter einer verhaltensbedingten Kündigung?
Findet das KSchG Anwendung, braucht der Arbeitgeber für den Ausspruch einer Kündigung sachliche Rechtfertigungsgründe. Eine sachliche Rechtfertigung kann im Verhalten des*der Arbeitnehmer*s*in begründet sein. Dies ist in § 1 KSchG wie folgt geregelt:
„Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist.“
Während der Kündigungsgrund bei der betriebsbedingten Kündigung aus der Risikosphäre des Arbeitgebers herrührt, stammt der Kündigungsgrund bei der verhaltensbedingten Kündigung aus dem Pflichtenkreis des Arbeitnehmers.
Der Kündigungsgrund muss stets zukunftsbezogen sein. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist keine Sanktion für ein Verhalten in der Vergangenheit, sie dient vielmehr dazu, künftige Belastungen und Vertragsgefährdungen zu vermeiden. Entscheidend ist auch, ob eine Wiederholungsgefahr besteht oder ob das vergangene Ereignis sich auch künftig weiter belastend auswirkt (vgl. BAG, Urteil vom 16.08.1991 – 2 AZR 604/90).
Wegen der weitreichenden Folgen einer verhaltensbedingten Kündigung für den*die Arbeitnehmer*in hat das BAG schon 1961 entschieden, dass bei der Beurteilung, ob ein zur Kündigung berechtigender Grund vorliegt, zu prüfen ist, ob sich im jeweiligen Einzelfall ein ruhig und verständig urteilender Arbeitgeber durch das Fehlverhalten des*der Arbeitnehmer*s*in ebenfalls zur Kündigung veranlasst gesehen hätte (vgl. BAG, Urteil vom 02.11.1961 – 2 AZR 241/61).
Nicht selten geht einer verhaltensbedingten Kündigung eine emotionale Auseinandersetzung voraus. Aufgrund emotionaler Kurzschlussreaktionen, scheitern verhaltensbedingte Kündigung häufig bereits an formellen Voraussetzungen oder auf der zweiten Stufe an den materiell-rechtlichen Voraussetzungen, die die Rechtsprechung an die Wirksamkeit von verhaltensbedingten Kündigungen stellt.
Welche Voraussetzungen müssen für eine verhaltensbedingte Kündigung vorliegen?
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist für die verhaltensbedingte Kündigung eine schuldhafte Verletzung der arbeitsvertraglich Pflichten erforderlich, welches steuerbar ist: „Der*Die Arbeitnehmer*in kann, will aber nicht.
Um eine verhaltensbedingte Kündigung zu prüfen, hat die Rechtsprechung einen Prüfungsmaßstab entwickelt. Anhand folgender Voraussetzungen prüfen die Arbeitsgerichte die Wirksamkeit verhaltensbedingter Kündigungen:
- Pflichtverstoß
- Verschulden
- Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – Keine anderen geeigneten Mittel
- Interessenabwägung
1. Pflichtverstoß
Die Gründe bzw. die Arten von Pflichtverstößen, die zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung führen können, sind vielfältig, der Phantasie sind diesbezüglich keine Grenzen gesetzt. Typische Pflichtverletzungen, die in der Praxis häufig zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen sind z.B.
- Arbeitsverweigerung
- Arbeitszeitbetrug
- Entgeltfortzahlungsbetrug
- grobe Beleidigungen
- Tätlichkeiten
- Diebstahl
- Unterschlagung
Aber auch der wiederholte Verstoß gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten, wie die z.B. ein Verstoß gegen die Nachweis- und Meldepflichten nach § 5 EFZG, kann eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.
2. Verschulden
Darüber hinaus muss ein schuldhaftes und steuerbares Verhalten zugrunde liegen. Die Leistungsstörung muss dem*der Arbeitnehmer*in also vorwerfbar sein. Es gilt der objektive Maßstab eines „ruhig und verständig urteilenden Arbeitgebers (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.2003 –
2 AZR 62/02 sowie BAG, Urteil vom 17.01.2008 – 2 AZR 536/06).
3. Verhältnismäßigkeit
Darüber hinaus kommt eine verhaltensbedingte Kündigung nach der ständigen Rechtsprechung des BAG immer erst dann in Betracht, wenn es keine anderen geeigneten Mittel gibt, um eine wegen der festgestellten Vertragsverletzung befürchtete zukünftige Vertragsstörung zu beseitigen und zu vermeiden.
Als milderes Mittel kommt – von wenigen Ausnahmefällen abgesehen – regelmäßig zunächst der Ausspruch einer Abmahnung in Betracht, die dem*der Arbeitnehmer*in sein*ihr Fehlverhalten und die Konsequenzen für den Wiederholungsfall aufzeigen soll. Ihm*ihr muss die Gelegenheit eingeräumt werden, sich künftig wieder vertragsgerecht zu verhalten, um so eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden.
Weiterhin können auch eine Versetzung und/oder eine Änderungskündigung, im Vergleich zur verhaltensbedingten (Beendigungs-) Kündigung ein milderes Mittel darstellen.