Außerordentliche Kündigung
- Was versteht man unter einer außerordentlichen Kündigung?
- Unter welchen Umständen darf ein Arbeitgeber außerordentlich kündigen?
- Wieviel Zeit darf sich der Arbeitgeber mit der Kündigung lassen?
- Welche Formen der außerordentlichen Kündigung gibt es?
- Lohnt sich der Weg zum Arbeitsgericht?
- Unter welchen Umständen haben Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit, fristlos zu kündigen?
- Fall: Kündigung wegen Stasi-Mitarbeit unwirksam
Was versteht man unter einer außerordentlichen Kündigung?
Im Gegensatz zu einer ordentlichen Kündigung ist bei einer außerordentlichen Kündigung regelmäßig keine Frist einzuhalten. Eine außerordentliche Kündigung ist eine Kündigung, bei der die für eine ordentliche Kündigung vorgeschriebene Kündigungsfrist nicht oder nicht vollständig eingehalten wird oder bei der ein Arbeitsverhältnis gekündigt wird, das ordentlich (d.h. fristgemäß) gar nicht kündbar ist.
Die Voraussetzungen zur Berechtigung eines Arbeitgebers, eine*n Arbeitnehmer*in wirksam außerordentlich zu kündigen sind allerdings ziemlich streng. Die außerordentliche Kündigung ist das schärfste Mittel, das den Vertragsparteien zur Verfügung steht (ultima ratio).
Unter welchen Umständen darf ein Arbeitgeber außerordentlich kündigen?
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB bedarf es grundsätzlich eines „wichtigen Grundes“, wonach es dem Arbeitgeber nicht mehr zumutbar ist, den*die Arbeitnehmer*in aufgrund eines so gravierenden Pflichtverstoßes bis zum Ende der Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Ein wichtiger Grund ist ein ganz besonders schwerwiegender Anlass für eine Kündigung.
Ob ein wichtiger Grund vorliegt, muss jeweils im Einzelfall geprüft werden. Insbesondere Straftaten wie Betrug und Diebstahl oder auch Tätlichkeiten, die im Zusammenhang mit der Ausübung des Arbeitsverhältnisses stehen, können einen solchen wichtigen Grund darstellen.
Für die Feststellung des Vorliegens eines wichtigen Grundes, ist nach der Rechtsprechung des BAG zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu stützen. Sofern die der Kündigung zu Grunde liegenden Umstände grundsätzlich geeignet sind, eine außerordentliche Kündigung zu stützen, bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09). Man spricht in diesem Zusammenhang auch von sog. zweistufiger Prüfung.
Spätestens seit der berühmten „Emmely-Entscheidung“ (vgl. BAG, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09)steht zudem fest, dass vermeintlich kleine Vergehen nicht (mehr) zwangsläufig den Arbeitgeber zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung berechtigen. Das BAG hat in dieser berühmten Entscheidung erstmals den Begriff „Vertrauenskapital“ geprägt: Das in vielen Jahren aufgebaute Vertrauen wird danach nicht durch eine einmalige Fehlhandlung in Bezug auf eine geringwertige Sache zerstört. Die Kündigung wurde im Emmely-Fall vom BAG als unzulässig erklärt (anders sah es zuvor noch das LAG Berlin Brandenburg, vgl. NZA-RR 2009, 188).
Klar ist jedenfalls, dass es absolute Kündigungsgründe nicht gibt, d.h., dass auch schwerwiegende Pflichtverstöße nicht immer zwangsläufig zu einer außerordentlichen (verhaltensbedingten) Kündigung führen.
Der Arbeitgeber hat für seine außerordentliche Kündigung jedenfalls nicht nur die tatsächlichen Voraussetzungen der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (vgl. BAG, Urteil vom 24.11.1983 AP BGB § 626 Nr. 76), sondern auch – sofern der*die Arbeitnehmer*in hinsichtlich seines*ihres Verhaltens Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe vorträgt – diese zu widerlegen (vgl. nur BAG, Urteil vom 27.09.2012 – 2 AZR 646/11).
Wieviel Zeit darf sich der Arbeitgeber mit der Kündigung lassen?
Gemäß § 626 Abs. 2 BGB darf die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen, beginnend ab Kenntnis vom jeweiligen Pflichtverstoß erfolgen. Im Einzelfall ist an dieser Stelle zu prüfen, ab welchem Zeitpunkt eine Kenntnis des Arbeitgebers zu bejahen ist. Es kann unter Umständen vorkommen, dass noch Ermittlungen unternommen werden müssen, um einen ggf. vagen Verdacht noch zu bestätigen. Nach der Rechtsprechung müssen nämlich leichtfertige Kündigungen vermieden werden, in dem sorgfältige Ermittlungen vorzunehmen sind und der Betroffene dazu angehört wird. In § 626 Abs. 2 BGB heißt es dazu wie folgt:
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Voraussetzung für die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung ist, dass es aufgrund der gravierenden Pflichtverletzung für den Arbeitgeber nicht zumutbar ist, den*die Gekündigte*n bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Durch die Zwei-Wochen-Frist soll sichergestellt werden, dass in solchen Fällen auch nicht länger als zwei Wochen gezögert wird.
Welche Formen der außerordentlichen Kündigung gibt es?
Ein wesentlicher und auch weit überwiegender Teil der außerordentlichen Kündigungen beruht auf einem ggf. vermeintlichen Pflichtverstoß des*der Arbeitnehmers. Es handelt sich dabei um sog. außerordentliche verhaltensbedingte Kündigungen.
Neben verhaltensbedingten Gründen können auch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen (bspw. krankheitsbedingte), eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Mitarbeiter grundsätzlich ausgeschlossen. Gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer soll eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung nach Ansicht des BAG allenfalls unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist in Betracht kommen (vgl. BAG, NZA 2014, 895).
Lohnt sich der Weg zum Arbeitsgericht?
Eine Erfolgsgarantie können wir Ihnen leider nicht geben. Unsere langjährige Berufserfahrung zeigt jedoch, dass sich Arbeitnehmer*innen, die außerordentlich gekündigt wurden, in der Regel mit einer Klageerhebung oder außergerichtlichen Verhandlungen mit dem Arbeitgeber nur verbessern können. Aufgrund einer außerordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber, ist dem*der Gekündigten in der Regel alles genommen worden. Zum einen bekommt er*sie seine*ihre Kündigungsfristen nicht durchbezahlt und zum anderen wird die Agentur für Arbeit in aller Regel eine Sperrzeit verhängen, wenn man sich nicht mithilfe einer Kündigungsschutzklage zur Wehr setzt. Zudem ist ein „schief“ datiertes Zeugnis (ggf. auch unter Nennung der Kündigungsgründe) in aller Regel nicht wirklich förderlich für das berufliche Vorankommen. Selbst in den Fällen, in denen nachweisbar ein schwerer Pflichtverstoß vorliegt, sind Arbeitgeber häufig bereit, ein wenig nachzugeben, sei es durch Erteilung eines vernünftigen Arbeitszeugnis oder gar durch Umwandlung der fristlosen in eine fristgemäße Kündigung.
Unter welchen Umständen haben Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit, fristlos zu kündigen?
Für Arbeitnehmer*innen gelten grundsätzlich auch die zuvor erläuterten Voraussetzungen, um wirksam das Arbeitsverhältnis fristlos beenden zu können. Danach müssen mithin auch die Voraussetzungen nach § 626 BGB vorliegen. Bei einer außerordentlichen Kündigung raten wir jedoch dringend dazu, zuvor anwaltlichen Rat einzuholen. In der Regel wird auch hier eine vorherige Abmahnung erforderlich sein und die meisten werden bereits an der Formulierung einer „wasserdichten“ Abmahnung scheitern. Unser Arbeitsrechtsteam steht Ihnen dabei gerne zur Verfügung!