19.04.2018

Kirchliche Arbeitgeber müssen u.U. auch Konfessionslose einstellen

EuGH hat entschieden

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat eine Entscheidung gefällt, die wohl weitreichende Auswirkung auf die Einstellungspraxis kirchlicher Arbeitgeber haben wird (EuGH, Urteil vom 17.04.2018 – C‑414/16).Die Konfession eines Bewerbers kann demnach künftig nicht mehr für alle ausgeschriebenen Stellen eines kirchlichen Arbeitgebers ein Ausschlusskriterium sein.

Was war die bisherige Praxis?
Kirchliche Arbeitgeber sind aufgrund des grundrechtlichen Schutzes der Religionsfreiheit anderen Arbeitgeber gegenüber in arbeitsrechtlichen Fragen privilegiert. So gelten für sie beispielsweise die Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetz nur eingeschränkt (§ 118 BetrVG). Darüber hinaus war es bislang Praxis von kirchlichen Arbeitgebern, bei der Ausschreibung von Arbeitsplätzen die Vergabe an die Konfession des Bewerbers zu knüpfen. § 9 AGG macht insofern eine gesetzliche Ausnahme vom Grundsatz, dass Arbeitnehmer (bzw. Bewerber) nicht aufgrund einer Religion oder Weltanschauung benachteiligt werden dürfen. Diese Praxis dürfte sich nun durch die Entscheidung des EuGH ändern.

Um was ging es in der Entscheidung des EuGH?
Hintergrund der Entscheidung war die Bewerbung einer Sozialpädagogin auf eine ausgeschriebene Stelle beim Evangelischen Werk der Diakonie in Berlin. Es handelte sich um eine befristete Referentenstelle für ein Projekt zur Erstellung eines Berichts für das Uno-Antirassismus-Komitee. In der Stellenausschreibung war u.a. ausgeführt: „Die Mitgliedschaft in einer evangelischen Kirche oder in einer der ACK (Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen) angehörigen Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag setzen wir voraus.“

Die Bewerberin erhielt, obwohl sie für den Job geeignet war, ihre Bewerbungsunterlagen zurück, ohne zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen worden zu sein. Sie vermutete, dass die Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung auf ihre Konfessionslosigkeit zurückzuführen war. Die Bewerberin wollte sich damit nicht zufrieden geben und verklagte das Evangelische Werk der Diakonie auf rund 10.000,- € Schadensersatz wegen Diskriminierung aus Gründen der Religion. Das Bundesarbeitsgericht legte den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Dieser sollte klären, ob das Verhalten des Arbeitgebers (unter der Annahme, dass die Konfessionslosigkeit der Bewerberin der eigentliche Ablehnungsgrund war) gegen die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie verstößt oder noch vom kirchlichen Selbstbestimmungsrecht umfasst ist.

Was hat der EuGH entschieden?
Der EuGH hat dazu in seiner Entscheidung ausgeführt, dass nach der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie eine Abwägung zwischen dem Recht der Kirchen auf Autonomie und dem Recht der Arbeitnehmer, bei der Einstellung nicht wegen ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert zu werden, vorzunehmen ist. Diese Abwägung muss im Falle eines Rechtsstreites von einer unabhängigen Stelle und damit letztlich von einem nationalen Gericht überprüft werden können.
Wenn also ein kirchlicher Arbeitgeber zur Begründung einer Entscheidung, wie beispielsweise die Ablehnung einer Bewerbung, geltend macht, die Religion stelle nach Art der betreffenden Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung dar, muss dieses Vorbringen der gerichtlichen Kontrolle zugänglich sein. Die Gerichte haben dabei zu prüfen, ob die Konfession notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche aufgrund der Art der beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten ist. Weiterhin muss das Konfessionserfordernis mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen, d.h. es muss angemessen sein und darf nicht über das zur Erreichung des angestrebten Ziels Erforderliche hinausgehen. Kirchliche Arbeitgeber dürfen also nicht bei jeder Stelle von Bewerbern eine Religionszugehörigkeit fordern, sondern nur wenn die Konfession für die Tätigkeit „objektiv geboten“ sei. Außerdem muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.

Welche Auswirkungen wird die Entscheidung haben?
Diese Entscheidung wird voraussichtlich starke Auswirkungen auf die Einstellungspraxis der katholischen und evangelischen Arbeitgeber haben. Beide zusammen sind mit mehr als einer Millionen Arbeitnehmern zweitgrößter Arbeitgeber in Deutschland.

Künftig darf die Religionszugehörigkeit wohl nur noch bei solchen Personengruppen ein auschlaggebendes Kriterium sein, deren berufliche Tätigkeit eine entsprechende Zugehörigkeit objektiv gebietet. Von einem Pfarrer wird man also auch in Zukunft eine entsprechende Religionszugehörigkeit verlangen können. Anders wird es bei einem Hausmeister oder einer Reinigungskraft in einem kirchlichen Kindergarten oder einem Krankenhaus aussehen. Mit der vorliegenden Entscheidung werden kirchliche Arbeitgeber in Zukunft sehr viel genauer begründen müssen, warum eine bestimmte Stelle eine bestimmte Religionszugehörigkeit verlangt. Und Bewerber können dies im Zweifel dann durch ein Gericht überprüfen lassen.

Praxistipp
§ 15 AGG sieht die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches vor, soweit Arbeitnehmer wegen ihrer Religion diskriminiert werden. Selbst wenn sie bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wären, können sie nach § 15 Abs. 2 AGG bis zu drei Monatsgehälter als Schadensersatz verlangen. Abgelehnte Bewerber sollten daher in Zukunft bei kirchlichen Arbeitgebern genau schauen, welche Stelle ausgeschrieben wird und wenn die Religionszugehörigkeit verlangt wird, ob diese für die Stelle tatsächlich objektiv erforderlich ist. In der Regel wird die Konfession künftig nur noch bei Stellen eine Rolle spielen dürfen, die an der Verwirklichung des religiösen Auftrages des kirchlichen Arbeitgebers mitwirken. Wer Zweifel hat, kann dies nun gerichtlich überprüfen lassen. Doch nicht immer wird der Gang zum Gericht notwendig sein. Oft genügt es auch schon, seine Ansprüche außergerichtlich geltend zu machen. Wir beraten Arbeitnehmer gern in diesen Fragen.

BGHP Betriebsratsberater-Team 19.04.2018