17.10.2017

Voraussetzung für eine erfolgreiche Betriebsratspolitik: Achtung der Rechte von Minderheiten im Betriebsrat

Ein hohes Maß an Klarheit und Geschlossenheit nach außen ist für einen Betriebsrat entscheidend, um die Interessen der Kolleginnen und Kollegen gegenüber dem Arbeitgeber erfolgreich zu vertreten. Die entscheidenden Fragen dabei sind:

  • Wie lässt sich diese Geschlossenheit innerhalb des Betriebsratsgremiums herstellen?
  • Wie können verschiedene Listen mit unterschiedlichen Programmen und unterschiedlichem  Verständnis von Betriebsratsarbeit sich auf eine gemeinsame Betriebsratslinie einigen, ohne die eigene Programmatik und Identität der Liste zu opfern?
  • Werden die Rechte von im Betriebsrat vertretenen Minderheitenlisten von den Vertretern der Betriebsratsmehrheit geachtet und können sich Betriebsratsarbeit einbringen?

Politisch und rechtlich kommt es hierbei entscheidend auf die Einhaltung von demokratischen Mindeststandards durch alle im Betriebsrat vertretenen Listen und Einzelpersonen an.

Ein Ausschnitt aus der Praxis
Dieser einfache Grundsatz für das Funktionieren eines Betriebsrates ist in der Praxis keine Selbstverständlichkeit. Der Verfasser dieses Beitrages hat in der Praxis oft mit Betriebsräten zu tun, die nach der Wahl mit anderen konkurrierenden Betriebsratslisten der Minderheit nach dem Prinzip verfahren: „The winner takes it all“. Hierbei spielen oft Betriebsratslisten eine unrühmliche Rolle, welche durch die Ausgrenzung oppositioneller Listen und den Ausschluss der kritischen Betriebsöffentlichkeit die bisher eingespielte informelle Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber „auf dem kurzen Dienstweg“ sichern und fortschreiben wollen. Leider kommen in der Praxis solche Methoden aber auch bei der Politik von Mehrheitslisten vor, welche von Gewerkschaftern geführt werden. Betroffen sind hiervon häufig oppositionelle Listen im Betriebsrat, welche die bisherige Betriebsratspolitik kritisieren und eine kämpferischere Gangart einfordern.

Die Vertreter der Mehrheitsliste beschränken sich hierbei oft darauf, ihre Position im Betriebsrat mit rein formalen Mitteln durchzusetzen. Kontroverse Diskussionen im Betriebsratsgremium und Kritik an der bisherigen Politik des Betriebsrates sehen die Vertreter der Mehrheitsfraktion oft nicht als Bereicherung und positive Herausforderung an, um die eigene Position zu hinterfragen. Stattdessen empfinden sie dies oft als störend, belastend und als Gefährdung der eigenen Position und Autorität. Diese Abwehrhaltung hat dann weitere negative Folgen für die praktische Arbeit im Betriebsrat:

Notwendige Diskussionen im Betriebsrat über heiße und strittige Themen dulden die Vertreter der Mehrheit anfangs gerade noch, dann werden sie nur noch verkürzt geführt und schließlich beschränkt man sich auf eine bloße Abstimmung im Gremium über ein „Ja“ oder „Nein“ zu einer von der Mehrheitsfraktion eingebrachten Beschlussvorlage – man hat sich ja zuvor bereits im inneren Zirkel der eigenen Fraktion auf die „richtige Linie“ geeinigt. Später setzt der Vorsitzende kontroverse Themen und Anträge dann gar nicht mehr auf die Tagesordnung der Sitzungen des Betriebsrates. Stattdessen überträgt das Gremium diese Themen auf Ausschüsse, in denen die Vertreter der Minderheit entweder gar nicht oder nur noch so schwach vertreten sind, dass sie kaum noch die Beschlussfassung beeinflussen können.

Haben alle Betriebsratsmitglieder die gleichen Zugriffsrechte?  
Mitglieder von Minderheitenlisten oder Einzelbetriebsräte mit abweichenden Auffassungen werden durch die Mehrheitsführer im Betriebsrat oft auch dadurch ausmanövriert, dass sie bereits vom Informationsfluss und der Korrespondenz zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgeschlossen bleiben. Sie erhalten häufig entweder keinen oder nur sehr späten Zugang zu wichtigen Dokumenten und Schriftverkehr bezüglich der Betriebsratsarbeit. Das Prinzip „Wissen ist Macht“ führt dann dazu, dass es im Gremium ein enormes Gefälle gibt zwischen den eingeweihten, gut informierten Mitgliedern der Mehrheitsliste und den Mitgliedern der Minderheitenliste. Letztere sind mangels konkreter Informationen dadurch oft gar nicht in der Lage, zu betriebspolitisch relevanten Fragestellungen öffentlich gegenüber der Belegschaft Stellung zu beziehen. So geraten sie gegenüber den Vertretern der Betriebsratsmehrheit politisch ins Hintertreffen.

Statt also alle Mitglieder des Betriebsrates mit ihren speziellen Stärken für die sehr anspruchsvolle Betriebsratsarbeit zu mobilisieren und in die Pflicht zu nehmen, werden Vertreter von Minderpositionen im Betriebsrat oft systematisch ausgegrenzt und in ihren demokratischen Beteiligungs- und Kontrollrechten eingeschränkt.

Wem nützt die Ausgrenzung von einzelnen Betriebsratsmitgliedern?
Dieses Gebaren der Betriebsratsmehrheit gegenüber Vertretern der Minderheit untergräbt das Vertrauen der Belegschaft in ihre Interessenvertretung und erleichtert den Arbeitgebern, die Kolleginnen und Kollegen gegeneinander auszuspielen. Für die Mitglieder der Betriebsratsminderheiten bedeutet dies eine erhebliche Behinderung ihrer Arbeit. Statt sich mit ihren Anliegen und Überzeugungen demokratisch in die Betriebsratsarbeit einbringen zu können, sind sie mehr damit beschäftigt, gegen ihr Gremium um die Gewährung ihrer Rechte zu kämpfen. Viele kämpferische Aktivisten drohen an diesem zermürbenden Betriebsratsalltag zu scheitern und ziehen sich frustriert zurück. Dabei droht die notwendige Wiederbelebung der oft zum arbeitgeberfreundlichen Co-Management neigenden Betriebsräte durch neue unabhängige, kämpferische Menschen mit neuen Ideen und ein Mehr an demokratischer Beteiligung der Belegschaft auf der Strecke zu bleiben. Chancen für die Formulierung und Durchsetzung einer neuen kämpferischeren Politik für Betriebsräte und der mit ihnen verbundenen Gewerkschaften werden dadurch vertan.

Dabei gibt es rechtliche Wege für alle Betriebsräte – gleich ob sie einer Mehrheits- oder Minderheitenfraktion im Betriebsrat angehören – den beschriebenen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) selbst bietet für das undemokratische Verhalten von Betriebsratsmehrheiten keine Grundlage. Im Gegenteil: Es steht dem entgegen und beinhaltet unabdingbare Mindeststandards zum Schutz von im Betriebsrat vertretenen Minderheiten und einzelnen Betriebsratsmitgliedern.

Wie weit darf das einzelne Mitglied sein Amt selbstständig ohne Beschluss des Gremiums ausüben?
Schon dem einzelnen Betriebsratsmitglied steht bei der Ausübung seines Mandates nach dem Gesetz eine erhebliche Unabhängigkeit zu. Das Mandat ist zunächst vergleichbar mit dem unabhängigen Mandat eines Abgeordneten im Bundes- oder Landtag. Dieser ist an Entscheidungen und Beschlüsse seiner Partei oder seiner Fraktion grundsätzlich nicht gebunden, sondern nimmt sein Mandat unabhängig in Übereinstimmung mit den bestehenden Gesetzen und seinem Gewissen wahr.

Auch das einzelne Betriebsratsmitglied ist bei der Ausübung seines Amtes weder an Vorgaben seiner Liste noch des Betriebsrates gebunden. Außerdem unterfallen bestimmte Tätigkeiten des einzelnen Betriebsratsmitglieds dem sogenannten „originären Betriebsratsmandat“, d. h. diese Tätigkeiten dürfen durch Beschlussfassung des Betriebsratsgremiums nicht eingeschränkt werden:

  • So steht es dem einzelnen Betriebsratsmitglied frei, ob und in welchem Umfang es Arbeitsplätze aufsucht, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu kontrollieren.
  • Es entscheidet grundsätzlich allein darüber, ob und in welcher Form es Bitten von Kolleginnen und Kollegen folgt, sie bei Personalgesprächen, in denen es um ihre Beurteilung, ihre Arbeitsplatzumgestaltung und Entgeltfragen geht, zu begleiten. (siehe hierzu die §§ 81, 82, 83 BetrVG)
  • Es entscheidet allein und unabhängig darüber, ob und in welchem Umfang es Kollegen, die sich wegen einer Beschwerde an ihren Personalchef wenden, begleitet und unterstützt. (§ 84 BetrVG).
  • Das einzelne Betriebsratsmitglied hat das Recht, Anträge für Betriebsrats- und Ausschusssitzungen vorzubereiten und sich hierfür von der Arbeit nach § 37 Abs. 2 BetrVG freizustellen. Selbstverständlich kann es sich zu diesem Zweck im Vorfeld mit seinen Kolleginnen und Kollegen und mit anderen gleichgesinnten Betriebsratsmitgliedern beraten.

Das einzelne Betriebsratsmitglied hat zudem ein Recht auf Teilnahme an den obligatorischen Monatsgesprächen des Betriebsrates mit den Vertretern der Arbeitgeberseite. So kann es die wesentlichen Politikfelder im Betrieb nachverfolgen und hierzu Stellung nehmen. Allerdings verbietet es der Gesetzgeber dem Betriebsrat nicht, den Teilnehmerkreis auf einzelne Vertreter des Betriebsrates oder Ausschüsse zu beschränken. Damit können einzelne Betriebsräte oder Angehörige von Minderheitenfraktionen dann doch wieder ausgeschlossen werden. (Fitting, Kommentar zum BetrVG, 28. Aufl., § 74, Rn.7)

Hat das einzelne Mitglied ein Recht auf Zugang zu allen Dokumenten des Betriebsrates?
Flankiert werden diese Rechte durch umfassende gesetzliche Einsichts- und Kontrollrechte des einzelnen Betriebsratsmitgliedes. Diese ermöglichen es, sämtliche Betriebsratsaktivitäten zu kontrollieren und diese ggf. im Gremium und in der Betriebsöffentlichkeit zu kritisieren und zu beeinflussen. § 34 Abs. 3 BetrVG spielt hier in der Praxis eine überragende Rolle. Danach steht jedem einzelnen Betriebsratsmitglied das Recht zu, die Unterlagen des Betriebsrates und seiner Ausschüsse jederzeit einzusehen, unabhängig davon, ob er selbst Mitglied des jeweiligen Ausschusses oder sonst mit den fraglichen Aufgaben betraut ist.

Das Bundesarbeitsgericht sieht in diesem Einsichtnahmerecht des einzelnen Betriebsratsmitgliedes ein zentrales Mittel, um die Arbeit des Betriebsrates effektiv zu überwachen und kontrollieren zu können. Erst hierdurch werde das Betriebsratsmitglied in die Lage versetzt, sein Mandat unabhängig, eigenverantwortlich und kompetent ausüben zu können. Gemeint ist hiermit nicht nur die Einsichtsgewährung in papierne Unterlagen – die in der Praxis immer mehr an Bedeutung verliere – sondern ein Zugang des einzelnen Betriebsratsmitgliedes zu sämtlichen elektronisch gespeicherten Dokumenten und dem E-Mail-Verkehr des Betriebsrates und seiner Mitglieder mit der Arbeitgeberin oder anderen Dritten ohne jede zeitliche Verzögerung. Jedem Betriebsratsmitglied ist somit der unmittelbare sofortige Zugriff auf sämtliche elektronische Dateien des Betriebsrates zu gewähren. (BAG, 12.08.2009 – 7 ABR 15/08; NZA 09, 1218 ff.)

Darf dem einzelnen Mitglied die Einsicht unter Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verwehrt werden?
Oft verweigern in der Praxis Betriebsratsfunktionäre einzelnen Betriebsräten oder Mitgliedern von Betriebsratsminderheitenlisten die Einsichtnahme mit dem Argument, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschützt werden müssten. Dies ist falsch und offensichtlich irreführend.
Nach § 79 Abs. 1 Satz 3 und 4 BetrVG gilt die Pflicht zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nicht gegenüber Mitgliedern des Betriebsrates. Jedes Mitglied des Betriebsrates hat damit einen Anspruch auf den gleichen Informationsstand wie die Angehörigen der Betriebsratsmehrheitsfraktion, unabhängig von der Geheimhaltungs-bedürftigkeit der fraglichen Information.

Darf die Einsichtnahme unter Berufung auf Datenschutzinteressen Einzelner verwehrt werden?
Weiter wird die Verweigerung der Weitergabe von Informationen von Mitgliedern der Betriebsratsmehrheitsfraktion an einzelne Betriebsräte oder Vertreter von Betriebsratsminderheitenlisten damit begründet, dass die Persönlichkeitsrechte einzelner betroffener Arbeitnehmer/-innen dem entgegenstünden. Auch dies ist falsch. Nach §§ 99 Abs. 1 Satz 3, 102 Abs. 2 Satz 5 i. V. m. § 79 Abs. 1 Satz 3 BetrVG gilt die Pflicht zur Geheimhaltung persönlicher Arbeitnehmerdaten nicht im Verhältnis von Betriebsratsmitgliedern untereinander (BAG, Beschluss vom 12.08.2009 – 7 ABR 15/08; NZA 09, 1218 ff.). Jedes Betriebsratsmitglied ist selbst kraft seines Amtes für die Einhaltung des Datenschutzes verantwortlich, Einsichts- und Kontrollrechte des einzelnen Betriebsratsmitgliedes dürfen mit dieser Begründung nicht eingeschränkt werden.

Kann ich als einzelnes Betriebsratsmitglied den Betriebsrat in der Betriebsöffentlichkeit kritisieren?
Dem einzelnen Betriebsratsmitglied kommt daneben nicht nur das Recht zu, die Politik des Betriebsrates zu kontrollieren und zu überwachen. Im Rahmen der grundgesetzlich geschützten Meinungs- und Pressefreiheit steht es ihm daneben frei, jederzeit kritisch zur Politik der Führung des Betriebsrates in Form von Flugblättern und mit Redebeiträgen auf Betriebsversammlungen Stellung zu nehmen und Unterschriften für Petitionen zu sammeln. Einzige zu beachtende rechtliche Grenze ist hierbei, dass der Betriebsfrieden hierdurch nicht durch Beleidigungen oder Verleumdungen anderer konkret verletzt wird (LAG Hessen, Urteil vom 17.02.1997 – 11 Sa 1776/96, NZA-RR 1998, 17). Dieses Recht kann weder durch Arbeitsvertrag, Betriebsordnung oder durch Betriebsratsbeschlüsse aufgehoben oder beschränkt werden.

Kann ich als einzelnes Betriebsratsmitglied fehlerhafte Beschlüsse gerichtlich anfechten?
Rechtsfehlerhaft ergangene Betriebsratsbeschlüsse kann das einzelne Betriebsratsmitglied hingegen nur im Ausnahmefall gerichtlich überprüfen lassen. Dieses Recht soll dem einzelnen Betriebsratsmitglied nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nur dann zustehen, wenn eigene Rechte verletzt sind. Zu diesen eigenen Rechten gehören nach dieser Rechtsprechung insbesondere das Recht auf Teilnahme an Betriebsratssitzungen, das Rederecht und das Recht auf Stimmabgabe an diesen Sitzungen (BAG, Beschluss vom 07.06.2016 – 1 ABR 30/14).

Die wichtigsten Rechte von Betriebsratsminderheiten
Das Betriebsverfassungsgesetz gewährt den Minderheitenlisten im Betriebsrat auch nach der Wahl unabdingbare Minderheitenrechte, die über die oben erwähnten Rechte des einzelnen Betriebsratsmitgliedes hinausgehen:

So geht der Gesetzgeber davon aus, dass die zur Betriebsratswahl angetretenen Listen auch nach der Wahl weiter bestehen. Im Falle einer Verhinderung eines Betriebsratsmitgliedes rückt nach § 25 BetrVG das nächstfolgende Ersatzmitglied in den Betriebsrat auf, das der gleichen Liste angehört.

Gilt der Schutz von Minderheiten auch für die Ausschüsse des Betriebsrates?
Praktisch bedeutsam ist der Minderheitenschutz für die Besetzung von Ausschüssen des Betriebsrates. Betriebsratsgremien delegieren in der Praxis einen Großteil der Arbeit – auch hier sind Ähnlichkeiten zum Parlamentsbetrieb unverkennbar – auf eben solche Ausschüsse.  Folge ist, dass Betriebsräte von Minderheitenlisten von wesentlichen Teilen der Betriebsratsarbeit durch die Mehrheitsfraktion ausgeschlossen werden könnten. Diese Gefahr hat der Gesetzgeber erkannt und entsprechende Schutzvorschriften geschaffen, um die Repräsentation von Minderheiten auch in solchen Ausschüssen zu sichern.

Wie steht es mit dem Minderheitenschutz im Betriebsausschuss?
Können Betriebsräte in Betrieben bis zu 200 Beschäftigten noch weitestgehend auf Ausschüsse verzichten und die inneren organisatorischen Angelegenheiten auf den Betriebsratsvorsitzenden und seinen Stellvertreter übertragen, ordnet der Gesetzgeber in § 27 BetrVG für Betriebsräte in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten zwingend die Übertragung dieser Aufgaben auf einen Betriebsausschuss an.

Zweck dieser gesetzlichen Anordnung ist es, die Geschäftsführung des Betriebsratsgremiums im Sinne von mehr Effizienz und Praktikabilität zu erleichtern. Der Schutz der im Betriebsrat vertretenen Minderheiten soll durch die in dieser Norm angeordnete Verhältniswahl sichergestellt werden. Hierdurch ist es im Betriebsrat vertretenen Minderheitenlisten möglich, entweder selbst eigene oder mit anderen Minderheitenlisten im Gremium gemeinsam alternative Listenvorschläge einzureichen. Die totale Dominanz der Mehrheitsfraktion in diesem Ausschuss – die ohnehin bereits durch den Umstand verstärkt wird, dass der Vorsitzende des Betriebsrates und sein Stellvertreter (die zumeist von der Mehrheitsfraktion im Betriebsrat gestellt werden) als feste Ausschussmitglieder ohne weitere Wahl gesetzt sind – wird hierdurch eingeschränkt. Den im Betriebsrat vertretenen Minderheitenfraktionen wird das unabdingbare Recht eingeräumt, Mitglieder in den Ausschuss zu wählen, die nicht der Mehrheitsfraktion angehören, um somit die Ausschussarbeit zu kontrollieren und zu beeinflussen.

Wie beim Betriebsratsgremium haben auch hier die im Betriebsausschuss vertretenen Listen das Recht, bei Verhinderung ihres Vertreters einen Nachrücker aus ihrer Liste zu entsenden, wenn die Liste bei der Wahl entsprechend viele Bewerber vorgeschlagen hatte.

Zwar ist dieser Betriebsausschuss nach dem Willen des Gesetzgebers nur für die Übernahme der laufenden Geschäfte des Betriebsrates, d. h. für die Koordination der Binnenorganisation des Betriebsrates zuständig. In der Praxis geht dessen Bedeutung aber regelmäßig darüber hinaus.
Nach § 27 Abs. 2 Satz 2 BetrVG hat der Gesetzgeber den Betriebsrat ermächtigt, dem Betriebsausschuss mit qualifizierter Mehrheit auch Aufgaben zur selbstständigen Erledigung zu übertragen. Was vom Sinn und Zweck her vom Gesetzgeber zur Effektivierung der Betriebsratsarbeit gedacht war, erweist sich in der Praxis oft als ein Mittel für die Betriebsratsmehrheit, wesentliche Aufgaben der alltäglichen Betriebsratsarbeit auf den Betriebsausschuss zu übertragen, wie z. B. Entscheidungen darüber, ob, in welchem Umfang, von wem und unter welchen Konditionen Überstunden und Wochenendschichten geleistet werden sollen oder ob und welche Dienstplanänderungen und Einstellungen vorgenommen werden.

Diese für den Alltag der Kolleginnen und Kollegen ganz wesentlichen Belange drohen damit der demokratischen Kontrolle und Einflussnahme der im Betriebsrat vertretenen Minderheitenliste weitgehend entzogen zu werden. Stattdessen verbleibt es hier oft bei der informellen „Großen Koalition“ zwischen Betriebsratsmehrheit und den Vertretern der Arbeitgeberseite.

Anders kann dies hingegen aussehen, wenn es Minderheitenlisten gelingt, durch Wahrnehmung ihres alternativen Listenvorschlagsrechtes Vertreter in diesen Ausschuss zu entsenden. Dieser Vertreter kann die Politik des Ausschusses zwar auf Grund der Mehrheitsverhältnisse nicht sofort verändern. Wohl aber kann die Minderheitenfraktion diese Politik überwachen, der Kontrolle der Betriebsöffentlichkeit zugänglich machen und damit indirekt Einfluss auf die Politik des Betriebsrates ausüben.

Die so in den Ausschuss gewählten Minderheitenmitglieder genießen zudem einen besonderen Schutz vor einer Abwahl durch den Gesetzgeber, indem ihre Abwahl nur durch eine qualifizierte Dreiviertel-Mehrheit des Betriebsratsgremiums möglich ist.

Wie steht es um den Minderheitenschutz in sonstigen Ausschüssen des Betriebsrates?
Was beim Betriebsausschuss funktioniert, geht bei der Besetzung von sonstigen Ausschüssen des Betriebsrates nach § 28 BetrVG genauso. Diese haben oft große praktische Bedeutung, wenn der Betriebsrat wichtige Spezialaufgaben der Betriebsratsarbeit auf besondere Ausschüsse überträgt, wie z. B. die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte bei personellen Angelegenheiten (Einstellung, Versetzung, Eingruppierung, Umgruppierung, Kündigung), bei der Wahrung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, beim Schutz der Beschäftigten vor Kontrolle und Überwachung durch technische Einrichtungen oder bei Fragen der betrieblichen Entgeltgestaltung. Dass die Übertragung dieser Aufgaben auf Ausschüsse die Arbeit des Betriebsrates schneller und effizienter macht, ist unbestreitbar und vom Gesetzgeber beabsichtigt. Dass allerdings bei der Besetzung dieser Ausschüsse die Rechte von Minderheiten im Betriebsrat unter die Räder geraten können, ist ebenso klar.

Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber den Mitgliedern von Minderheiten im Betriebsrat bei der Wahl der Ausschussmitglieder die gleichen Rechte eingeräumt wie bei der Wahl des Betriebsausschusses. Auch hier schützt das Prinzip der Verhältniswahl Minderheitenliste vor einer totalen Dominanz der Mehrheitsfraktion. Die Minderheitenlisten bleiben auch bei Verhinderung eines ihrer Ausschussmitglieder geschützt. Auch in diesem Fall richtet sich das Nachrücken des Ersatzmitgliedes nach der Listenzugehörigkeit gemäß § 25 BetrVG analog.

Bei der Abwahl von Ausschussmitgliedern gilt für Angehörige von Minderheitenlisten ebenfalls der gleiche Schutz wie beim Betriebsausschuss. Auch hier ist die Abwahl eines Ausschussmitgliedes nur mit einer qualifizierten Dreiviertel-Mehrheit des Betriebsrates möglich.

Bei der Besetzung und Einflussnahme auf diese Ausschüsse sind die Einflussmöglichkeiten von Minderheiten im Vergleich zum Betriebsausschuss größer. Anders als dort ist die Mitgliedschaft des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters nicht obligatorisch. Der Verhältniswahl unterliegen damit sämtliche Mitglieder des Ausschusses. Das vergrößert die Chancen zur Repräsentation von Minderheitenlisten im Verhältnis zur Mehrheitsfraktion.

Wie steht es um den Minderheitenschutz bei Ausschüssen des GBR und KBR?
Der auf diese Weise gesetzlich garantierte Minderheitenschutz der §§ 25 Abs. 2, 27 und 28 BetrVG gilt ebenso für die Wahl und Abberufung von Ausschussmitgliedern im Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat nach den §§ 51 und 59 BetrVG.

Minderheitenschutz bei der Entsendung von Vertretern des Betriebsrates in den GBR und von GBR-Mitgliedern in den KBR?
Nicht ausdrücklich vom Gesetzgeber festgelegt, aber von der Rechtsprechung anerkannt ist die Beachtung des Minderheitenschutzes bei der Entsendung der ein bis zwei Vertreter des Betriebsrates in den Gesamtbetriebsrat und der zwei Vertreter des Gesamtbetriebsrates in den Konzernbetriebsrat. Dies mag auf Grund der geringen Anzahl der zu Entsendenden und der nur ausnahmsweise gegebenen Ersatzzuständigkeit dieser Gremien nachvollziehbar sein. Diese sind nach § 50 Abs. 1 bzw. § 58 Abs. 1 BetrVG nur zuständig, wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, die mehrere Betriebe des Unternehmens oder mehrere Unternehmen im Konzern betrifft. Allerdings erlaubt der Gesetzgeber Betriebsräten und Gesamtbetriebsräten nach § 50 Abs. 2 und § 58 Abs. 2 BetrVG eigene Angelegenheiten auf den Gesamtbetriebsrat bzw. den Konzernbetriebsrat zu übertragen. Hiervon machen die lokalen Betriebsräte in der Praxis – oft auch auf Initiative der Unternehmen hin – regen Gebrauch. Für das Arbeitsleben der Kolleginnen und Kollegen höchst relevante Bereiche, wie Entgeltfragen, Gesundheits- und Datenschutz, werden so oft ganz oder teilweise auf den Gesamt– oder Konzernbetriebsrat übertragen.

Hierdurch entsteht eine Rechtsschutzlücke für im Betriebsrat vertretene Minderheitenlisten. Denn anders als bei der Besetzung der Ausschüsse des Betriebsrates haben sie auf die Zusammensetzung des Gesamtbetriebsrates und des Konzernbetriebsrates deutlich weniger Einfluss. Wesentliche Kernbereiche der Betriebsratsarbeit drohen ihrer Kontrolle und ihrem Einfluss entzogen zu werden. Der einzige gesetzliche Schutz der den lokal vertretenen Betriebsratsmitgliedern verbleibt, ist der Umstand, dass eine solche Kompetenzübertragung vom Betriebsrat auf den Gesamtbetriebsrat oder vom Gesamtbetriebsrat auf den Konzernbetriebsrates eines Beschlusses des Gremiums mit qualifizierter Mehrheit aller Betriebsratsmitglieder bedarf. Der Schutz der Minderheitenfraktion ist hier nur durch die politische Mobilisierung der Mehrheit im Gremium gegen die Pläne der Mehrheitsfraktion möglich.

Minderheitenschutz bei der Bestimmung der Mitglieder des Wirtschaftsausschusses?
Ebenso wenig haben die Minderheitenlisten rechtliche Einflussmöglichkeiten auf die Besetzung des Wirtschaftsausschusses. Dieser Ausschuss spielt in der Praxis der Betriebs- und Gesamtbetriebsräte eine erhebliche Rolle: Er ist vom Unternehmen über sämtliche wirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlich relevanten Unternehmensvorhaben schon im Planungsstadium zu unterrichten. Anhand dieser Informationen können Gesamtbetriebsräte und Betriebsräte die Unternehmensstrategie in der Zukunft – insbesondere anstehende Betriebsschließungs- oder Stellenabbaupläne – ersehen und ihre Politik hierauf proaktiv ausrichten. Der Betriebsrat hat nach § 107 BetrVG die Möglichkeit, die Besetzung dieses Ausschusses ohne Rücksicht auf Wahrung des Minderheitenschutzes festzulegen. Es besteht daher die Gefahr, dass Vertreter von Minderheitenlisten in diesem für die Praxis sehr wichtigen Ausschuss nicht vertreten sind.

Gleichwohl handelt es sich bei diesem Ausschuss nur um einen der Betriebsratsarbeit dienenden Ausschuss. Folge ist, dass Mitglieder des Wirtschaftsausschusses gegenüber jedem Mitglied des Betriebsrates – und damit auch gegenüber Betriebsräten einer Minderheitenliste – zur Auskunft verpflichtet sind. Wie oben aufgezeigt, gilt diese Auskunftspflicht selbst dann, wenn es sich bei den Informationen um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handeln sollte. Die Pflicht zur Geheimniswahrung gilt nicht gegenüber Mitgliedern des Betriebsrates. Nach § 108 Abs. 4 und 5 BetrVG sind die Mitglieder des Wirtschaftsausschuss zudem verpflichtet, über jede ihrer Sitzungen dem Betriebsrats- bzw. Gesamtbetriebsratsgremium unverzüglich und umfassend zu berichten. Auf diese Weise ist es auch Mitgliedern von Betriebsratsminderheiten möglich, die Arbeit des Wirtschaftsausschusses zu kontrollieren und zu beeinflussen.

Haben Minderheiten Einflussmöglichkeiten auf Termine und Tagesordnungen von Betriebsratssitzungen?
Neben der Kontrolle des Betriebsrates ist für die Mitglieder von Minderheitenlisten auch entscheidend, die Sitzungen des Betriebsrates und seiner Ausschüsse zu beeinflussen. Im Normalfall legt jedoch der Betriebsratsvorsitzende die Tagesordnung der Sitzungen fest und lädt die Betriebsratsmitglieder entsprechend. Er hat hierbei Anregungen einzelner Betriebsratsmitglieder zu berücksichtigen, ist an deren Anträge aber nicht gebunden.

Anders liegt die Sache dagegen, wenn eine im Betriebsrat vertretene Minderheit ein Viertel aller Betriebsratsmitglieder auf sich vereinen kann. In diesem Fall kann diese Minderheit die Einberufung von Betriebsratssitzungen und die Anberaumung bestimmter Tagesordnungspunkte beim Betriebsratsvorsitzenden beantragen. Dieser ist dann nach § 29 Abs. 3 BetrVG verpflichtet, die Betriebsratssitzung entsprechend anzusetzen. Die Vorschrift gilt analog auch für die Anberaumung von Sitzungen der Ausschüsse des Betriebsrates. Die Betriebsratsminderheit ist hierdurch in der Lage, die Agenda der Betriebsratsarbeit aktiv zu beeinflussen.

Mithilfe eines Viertels aller Betriebsratsmitglieder kann die Minderheit zudem die Teilnahme der ihr nahestehenden Gewerkschaft an den Betriebsratssitzungen beim Betriebsratsvorsitzenden beantragen. Dieser hat daraufhin die Ladung entsprechend vorzunehmen (§ 31 BetrVG). Die Gewerkschaft – vorausgesetzt sie hat mindestens ein Mitglied im Betrieb – hat dann ein ständiges Teilnahmerecht an den Betriebsratssitzungen ohne aktives Stimmrecht. So kann sie Einfluss auf den Verlauf der Betriebsratssitzungen – insbesondere auf die faire Behandlung der Angehörigen der Minderheitenliste – nehmen. Auch diese Norm dient dem Schutz der im Betriebsrat vertretenen Minderheiten. Sie gilt analog auch für die Sitzungen der vom Betriebsrat eingesetzten Ausschüsse.

Besondere Freistellungsansprüche für Minderheitenvertreter zur Vorbereitung von Sitzungen des Betriebsrates und seiner Ausschüsse?
Wie oben zum Umfang des für das einzelne Betriebsratsmitglied bestehenden originären Betriebsratsmandates bereits ausgeführt, steht auch den Mitgliedern der Betriebsratsminderheitenlisten das Recht zu, sich vor Sitzungen des Betriebsrates und seiner Ausschüsse untereinander zu versammeln, um in gemeinsamer Beratung diese Sitzungen vorzubereiten und eventuell eigene Anträge einzubringen. Für die aufgewandte Arbeitszeit sind die einzelnen Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 2 BetrVG im erforderlichen Umfang freizustellen.

Sind diese Ansprüche auch tatsächlich durchsetzbar?
Die oben aufgezeigten Rechte der einzelnen Betriebsräte sind auch gerichtlich gegen den Betriebsrat und gegen einzelne seiner Mitglieder, die diese Rechte verletzen, im Beschlussverfahren durchsetzbar und vollstreckbar. Durch Mobilisierung von einem Viertel der Beschäftigten oder durch einen Antrag der ihr nahestehenden Gewerkschaft können Angehörige von Minderheitenlisten nach § 23 Abs. 1 BetrVG zudem die Auflösung des Betriebsrates bzw. die Abberufung von einzelnen Betriebsratsmitgliedern beim Arbeitsgericht beantragen, wenn Angehörige der Mehrheitsfraktion mehrfach in grober Weise gegen ihre Pflichten aus dem BetrVG verstoßen.

Sämtliche oben aufgeführten Rechte des einzelnen Betriebsratsmitgliedes und der Betriebsratsminderheiten sind als zwingendes Gesetzesrecht jederzeit vom Betriebsrat zu beachten und auch durch Geschäftsführung und Betriebsratsbeschlüsse nicht abdingbar.

Welche Schlussfolgerungen lassen sich für die Praxis ziehen?
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Einzelkämpfer und Mitglieder von Minderheitenlisten im Betriebsrat dem Willen der Betriebsratsmehrheit nicht schutzlos ausgeliefert sind. Stattdessen stehen ihnen eigene unabdingbare Rechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz zu, um die Politik des Betriebsrates zu überwachen, betriebsöffentlich zu kritisieren und die Beschlussfassung positiv zu beeinflussen. Diese Rechte können auch im gerichtlichen Verfahren gegen den Betriebsrat und dessen Mitglieder verfolgt und ggf. vollstreckt werden.

Dass es zu solchen Streitigkeiten kommt, ist jedoch weder im Interesse der Vertreter der Betriebsratsmehrheit noch der Minderheitenfraktionen. Die hiermit verbundenen gerichtlichen Rechtsstreitigkeiten nehmen oft einen Gutteil der Amtsperiode in Anspruch und liefern den Kolleginnen und Kollegen ein katastrophales Bild von der Arbeit des Betriebsrates. Glaubhaftigkeit und Vertrauen des Betriebsrates – das höchste Gut für ein erfolgreiches Agieren im Namen der Beschäftigten – geht verloren. Dem Unternehmen eröffnet sich eine Gelegenheit, Betriebsräte gegeneinander auszuspielen und eine erfolgreiche und geschlossene Betriebsratspolitik zu verhindern.

Die Schlussfolgerung aus dem oben Ausgeführten kann daher nur lauten: Nur wenn der Betriebsrat mit allen seinen Mitgliedern die Rechte des einzelnen Betriebsratsmitgliedes und der Minderheitenliste achtet und diese positiv in die Betriebsratsarbeit einbindet, lassen sich notwendige Streits – denn in der Betriebsratspolitik stellen sich tatsächlich viele schwierig zu beantwortende betriebspolitische Fragen, die eines intensiven Meinungsstreites bedürfen – im Gremium konstruktiv führen. Nur so ist es möglich, eine gemeinsame, geschlossene Betriebsratspolitik im Sinne der Belegschaft zu praktizieren.

Dies setzt von Seiten der Mitglieder der Betriebsratsmehrheit die Bereitschaft voraus, die bisher geführte Politik kritisch zu hinterfragen, um so die bisherige Politik insgesamt auf eine höhere Stufe zu heben. Die Gewährleistung weitestgehender demokratischer Beteiligung aller Betriebsratsmitglieder ist dabei kein formalistischer Selbstzweck, Vielmehr dient sie dem notwendigen Ideenstreit im Gremium um die beste Politik im Interesse der Beschäftigten. Nur ein Betriebsrat, der alle in der Belegschaft bestehenden Strömungen vereint und bei seinen Entscheidungen berücksichtigt, ist fähig, die Gesamtheit der Belegschaft gegenüber dem Unternehmen erfolgreich zu vertreten.