22.11.2016

Gemeinsam gegen Betriebsrats-Bashing – Problemanalyse und Gegenstrategien

Randproblem oder Regelfall?

Etwa um die Jahrtausendwende herum und verstärkt seit der Krise im Jahr 2008 sind Betriebsräte und Gewerkschaften einem wachsendem Druck von Seiten der Arbeitgeber unterworfen. Über viele Jahre lang galt die Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen als wichtiger Faktor für wirtschaftliche und soziale Stabilität. Im Zuge von Globalisierung und der sich dadurch verstärkenden Standortkonkurrenz ist seit einigen Jahren nunmehr ein verstärktes und gezieltes Vorgehen einzelner Arbeitgeber gegen gewählte Betriebsräte und gewerkschaftliche Betätigung zu beobachten.

In einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler Stiftung aus dem Jahr 2014 gaben 59 % der befragten Gewerkschaftseinheiten an, dass ihnen Fälle von versuchter Verhinderung von Betriebsratswahlen bekannt seien. 38 % der befragten Gewerkschaftseinheiten gaben an, dass ihnen Fälle von Behinderung von Betriebsratstätigkeit bekannt seien (vgl. Studie „Union-Busting in Deutschland“, von Werner Rügemer und Elmar Wigand, Otto-Brenner-Stiftung, Arbeitsheft 77, Mai 2014). Nach einer aktuellen Pressemitteilung des WSI vom 03.11.2016 behindern Arbeitgeber etwa jede sechste Betriebsratsgründung. In einigen Bereichen, wie beispielsweise dem Nahrungs- und Genussmittelsektor und dem Gastgewerbe sind besonders oft Störmanöver von Arbeitgebern zu beobachten. 76 % aller durch den WSI befragten Gewerkschaftshauptamtlichen wussten in diesen Bereichen von Behinderungen bei der Wahl von Betriebsräten zu berichten. Diese Zahlen zeigen, das gezielte Vorgehen einzelner Arbeitgeber gegen bestehende Betriebsräte oder der Versuch, die Gründung von Betriebsräten zu erschweren bzw. zu verhindern ist zwar (noch) nicht der Regelfall, aber bei Weitem auch keine traurige Ausnahme.

Stichworte für das gezielte Vorgehen gegen Arbeitnehmervertretungen sind in diesem Zusammenhang die Begriffe „Betriebsrats-Bashing“ und „Union-Busting“. Sie sind eine Sammelbezeichnung für ein gezieltes Vorgehen des Arbeitgebers gegen den Betriebsrat bzw. gewerkschaftliche Betätigung und lassen sich am besten als Gewerkschafts- bzw. Betriebsratsbekämpfung übersetzen. Im Folgenden soll sich vor allem mit dem zielgerichteten Vorgehen gegen Betriebsräte und der Frage nach Gegenstrategien und politischen Handlungsbedarf auseinandergesetzt werden.

Wo fängt Betriebsrats-Bashing an?

Die Palette angewandter Maßnahmen gegen Betriebsräte oder deren Gründung ist lang. Sie reicht von der direkten Einschüchterung möglicher Kandidaten für den Betriebsrat, einer generellen Verweigerung der Zusammenarbeit, über rechtswidrige Kündigungs- oder Abmahnwellen gegen einzelne aktive Betriebsräte oder Mitglieder des Wahlvorstandes oder der grundlosen gerichtlichen Beantragung der Auflösung des Betriebsrates, bis zur gezielten Reorganisation des Unternehmens, oder der Ausgliederung bzw. Schließung einzelner Betriebe bzw. Bereiche des Unternehmens, um bestehende Betriebsräte zu zerschlagen oder zu schwächen.

Betriebsrats-Bashing beginnt dort, wo Arbeitgeber gezielt und systematisch versuchen, die Wahl eines Betriebsrates zu verhindern/behindern bzw. gegen einen bestehenden Betriebsrat vorgehen, um diesen in seiner Arbeit zu beeinträchtigen. Es geht also darum, den Betriebsrat in seiner Handlungsfähigkeit anzugreifen und eine arbeitnehmerorientierte Interessenvertretung in Betrieben zu verhindern oder wenigstens zu erschweren. Nicht jeder Konflikt mit dem Arbeitgeber ist zugleich auch als Betriebsrats-Bashing anzusehen. Auf der anderen Seite beginnt Betriebsrats-Bashing aber auch nicht erst dann, wenn der Arbeitgeber eindeutig illegale Methoden, wie beispielsweise eine unrechtmäßige Überwachung durch Privatdetektive vornimmt, um das Privatleben von aktiven Betriebsratsmitgliedern zu durchleuchten. Es kommt auf das zielgerichtete Vorgehen zur Schwächung bzw. Behinderung des Betriebsrates an und weniger auf die angewandten Methoden.

Die Strategie des Betriebsrats-Bashing zielt darauf ab, aktive Betriebsrats- oder Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb zu isolieren und diese soweit unter Druck zu setzen, dass diese entweder resigniert das Handtuch werfen, oder aber mit so vielen Nebenschauplätzen beschäftigt werden, dass ihre eigentliche Arbeit für die Beschäftigten auf der Strecke bleibt. Wenn beispielsweise der Arbeitgeber den Betriebsrat mit einer Unmenge von Verfahren beschäftigt, kommt es diesem in der Regel nicht zentral darauf an, vor dem Gericht juristische Siege zu erringen. Es genügt, dass diese Verfahren den Betriebsrat eine Menge Kraft und Zeit kosten, die eigentlich für die Verbesserung der betrieblichen Arbeitsbedingungen benötigt wird. Der Betriebsrat kann sich dann nicht mehr auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren, sondern ist mit Abwehrmaßnahmen gegen die Behinderung seiner Arbeit beschäftigt. Es besteht dann weiterhin die Gefahr, dass die Kollegen das Gefühl entwickeln, dass der Betriebsrat sich nur mit sich selbst beschäftigt und nicht genug für sie tut, oder noch schlimmer, der Betriebsrat sei für das schlechte Klima im Betrieb verantwortlich, weil er sich grundlos mit dem Arbeitgeber streitet. Und genau dies ist auch intendiert.

Beispiele aus der Praxis:
In unserer eigenen anwaltlichen Praxis stoßen wir immer wieder auf Fälle, die als Betriebsrats-Bashing zu bezeichnen sind oder sich zumindest in einem Graubereich bewegen. Stellvertretend für verschiedene Fälle hier zwei Beispiele:

1. Der isolierte Wahlvorstand
Das erste Beispiel spielt in einem mittleren Familienunternehmen. Ein Betriebsrat besteht dort nicht. 2015 finden sich verschiedene Kollegen, die das ändern wollen und es wird ein dreiköpfiger Wahlvorstand zur Einleitung einer Betriebsratswahl gebildet. Der Wahlvorstand fordert beim Arbeitgeber Information über die einzelnen Mitarbeiter an, um eine Wählerliste erstellen zu können. Der Arbeitgeber kommt seiner gesetzlichen Informationspflicht jedoch nicht nach. Stattdessen fängt dieser an, die Erforderlichkeit von Sitzungen des Wahlvorstandes anzuzweifeln und angebliche fehlerhafte Abmeldungen zu monieren. Es folgen Abmahnungen und anschließend fristlose Kündigungen. Parallel wird ein Mitglied des Wahlvorstandes vom Arbeitgeber bearbeitet und Stimmung gegen den Wahlvorstand im Betrieb gemacht. Die übrigen Mitglieder des Wahlvorstandes seien alles „Radikale“, er solle sich nicht vor den Karren der anderen spannen lassen und sowieso sei doch ein Betriebsrat überflüssig und teuer. Die Zermürbungstaktik des Arbeitgebers hat schließlich Erfolg. Der Wahlvorstand verliert an Rückhalt in der Belegschaft. Viele sind von den Streitereien und daraus resultierenden vielen Sitzungen des Wahlvorstandes genervt und wollen endliche wieder Ruhe im Betrieb. Ein Mitglied des Wahlvorstandes tritt zurück, die beiden übrigen Mitglieder werden fristlos gekündigt, ebenso wie zwei weitere Ersatzmitglieder.

Im Rahmen der Kündigungsschutzklagen wird zwar klar, dass die Kündigungen rechtswidrig erfolgten, aber die Betroffenen haben mittlerweile keine Kraft mehr und beenden die Arbeitsverhältnisse gegen eine gute Abfindung. Der Wahlvorstand wurde somit zerschlagen und der Arbeitgeber konnte die Wahl eines Betriebsrats erfolgreich verhindern. Ein zentrales Element des Scheiterns war hier, dass der Wahlvorstand es nicht wirklich geschafft hatte, die Belegschaft auf seine Seite zu ziehen und klar zu machen, dass ein Betriebsrat wichtig und notwendig ist. Wenn es der Arbeitgeber erfolgreich schafft, den Betriebsrat oder auch den Wahlvorstand im Betrieb zu isolieren, dann fehlt häufig die Kraft und der Durchhaltewille, der benötigt wird, um den Angriff des Arbeitgebers zurückzuschlagen.

2. Entgeltverhandlungen mit Hindernissen
Das zweite Beispiel spielt im Pflege- und Sozialbereich. Früher wurde im betreffenden Betrieb standardmäßig nach Tarif gezahlt. Später wurde dazu übergegangen, neuen Mitarbeitern nur noch Festgeldbeträge anzubieten. Dies führte zu einem ungleichen und ungerechten Entgeltsystem. Der Betriebsrat will dieses große Thema angehen und fordert den Arbeitgeber zu Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung „Entgeltsystem“ auf, die sich am TV-L Berlin orientiert. Der Arbeitgeber reagiert nicht, wie man es vielleicht von einem Betrieb im Sozialbereich erwarten sollte. Es wird eine Rechtsanwaltskanzlei angeheuert, die im Ruf steht, eine der führenden Betriebsrats-Bashing-Kanzleien zu sein.

Und tatsächlich verschärft sich Ton und Gangart des Arbeitgebers. Die Verhandlungen über den Vorschlag des Betriebsrates werden für gescheitert erklärt, bevor diese überhaupt begonnen haben. Es wird sofort die gerichtliche Einsetzung einer Einigungsstelle beantragt. Zu diesem Einsetzungsverfahren kommt der Betriebsrat mit zwei Mitgliedern, was dem Arbeitgeber auch so im Vorfeld mitgeteilt wurde. Dies war in den letzten Jahren gängige Praxis und wurde bislang niemals durch den Arbeitgeber bemängelt. Nach dem Gerichtstermin erfolgt der Vorwurf der Arbeitgeberin an ein Betriebsratsmitglied, dass dessen Teilnahme nicht erforderlich gewesen wäre und es wird eine Entgeltkürzung für den Zeitraum der Gerichtsverhandlung vorgenommen. Das gleiche Spiel erfolgt einige Monate später, als der Betriebsrat einen anwaltlichen Beratungs- und Besprechungstermin in unserer Kanzlei vereinbart hat und plant diesen mit allen fünf BR-Mitgliedern zu besuchen. Im Vorfeld erklärt die Arbeitgeberin, dass es genügt, wenn allein der Vorsitzende an dem Anwaltstermin teilnimmt und für die restlichen BR-Mitglieder keine Freistellungen erteilt werden. Falls diese doch an dem Termin teilnehmen, würden für den Zeitraum Entgeltkürzungen vorgenommen. Die Betriebsratsmitglieder lassen sich nicht einschüchtern und nehmen trotzdem an dem Termin teil. Die Arbeitgeberin kürzt daraufhin die Entgeltzahlung und zwingt den Betriebsrat dazu, ein entsprechendes Gerichtsverfahren zur Klärung dieses Sachverhaltes einzuleiten.

Dies kostet Zeit und Kraft die eigentlich für die Verhandlungen um das neue Entgeltsystem gebraucht werden. Auch in anderen Bereichen versucht der Arbeitgeber, die Arbeit des Betriebsrates zu erschweren. Es gibt Schwierigkeiten Schulungen zu besuchen, auf Gesprächsangebote des Betriebsrates wird nicht oder erst spät reagiert, anwaltliche Kosten werden als nicht erforderlich abgelehnt.

In der Einigungsstelle selbst wird eher auf Zeit gespielt. Sämtliche Vorschläge des Betriebsrates werden als nicht refinanzierbar abgelehnt, eigene Zahlen und Vorschläge werden aber erst auf ausdrückliche Nachfrage des Einigungsstellenvorsitzenden oder verspätet vorgelegt, Termine werden verschoben, Fristen verlängert.

Als der Betriebsrat an den Aufsichtsrat mit dem Ziel einer Vermittlung zwischen ihm und Arbeitgeber herantritt und auf Probleme der Zusammenarbeit und betriebsverfassungsrechtliche Missstände hinweist, eskaliert die Situation. Die Arbeitgeberin wirft dem Betriebsrat vor, dessen Absetzung geplant zu haben und droht mit arbeits- und strafrechtlichen Schritten gegen Betriebsrat und die einzelnen Mitglieder selbst.

Auch hier ist die Absicht erkennbar, den Betriebsrat bzw. die einzelnen BR-Mitglieder mit Nebenschauplätzen zu beschäftigen und Stimmung gegen sie im Betrieb zu machen. Die Verhandlungen über ein neues Entgeltsystem laufen noch und es wird sich zeigen, ob der Betriebsrat es schafft, die Angriffe der Arbeitgeberin zurückzuschlagen. Dies wird sicher auch wesentlich davon abhängen, wieviel Rückhalt der Betriebsrat innerhalb der Belegschaft organisieren kann und ob dieser für die Kolleginnen und Kollegen eine konkrete Verbesserung in den Verhandlungen über das neue Entgeltsystem herausholen kann.

Ineffektiver Schutz
Die Behinderung oder Störung der Tätigkeit des Betriebsrates steht zwar gem. § 119 BetrVG unter Strafe. Demnach wird mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bestraft, wer die Wahl eines Betriebsrats behindert oder beeinflusst oder die Tätigkeit des Betriebsrats behindert bzw. stört. Ebenso wird bestraft, wer ein Mitglied oder Ersatzmitglied des Betriebsrats wegen dessen Tätigkeit im Betriebsrat benachteiligt oder begünstigt. Eine diesbezügliche Verurteilung ist jedoch eine absolute Ausnahme, § 119 BetrVG dürfte die am wenigsten angewendete Strafvorschrift der Bundesrepublik sein. Dies liegt zum einen daran, dass dem Arbeitgeber die Taten bzw. betriebsratsfeindliche Stoßrichtung nachgewiesen werden muss, was im Einzelfall oft schwer ist. Im Regelfall wird der Arbeitgeber immer behaupten, dass beispielsweise die ausgesprochene Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden nicht wegen dessen Betriebsratstätigkeit erfolgte, sondern wegen anderer angeblicher Verfehlungen. Oder dass die Kostenübernahmeerklärung zur Betriebsratsschulung nur deshalb nicht erteilt wurde, weil der Termin ungünstig ist und nicht, um dem Betriebsrat seinen gesetzlichen Schulungsanspruch zu verweigern.

Zum anderen ist § 119 BetrVG ein Antragsdelikt, d.h. die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht von sich heraus wenn ein entsprechendes Fehlverhalten bekannt wird, sondern der Betriebsrat oder auch eine im Betrieb vertretende Gewerkschaft muss eine Anzeige gegen den eigenen Arbeitgeber bzw. den Tarifverhandlungspartner stellen. Vor einem solchen Schritt schrecken Betriebsräte und auch Gewerkschaften oft zurück. Und in der Tat sollte eine Strafanzeige gegen den Arbeitgeber gut überlegt und nicht leichtfertigt gestellt werden, da dies meist durch den Arbeitgeber als „offene Kriegserklärung“ aufgefasst wird und Auswirkungen auf die weitere Zusammenarbeit und evtl. auch auf das Standing im Betrieb haben wird. Soweit dann doch Verfahren wegen Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder eingeleitet werden, landen diese bei einer überlasteten Staatsanwaltschaft, für die Ermittlungen gegen Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz die absolute Ausnahme sind. Entsprechend zäh gestalten sich dann häufig auch die Ermittlungen.

Unterstützungsstrukturen für Betriebsrats-Basher
In dem Versuch von Arbeitgebern die Arbeit von Betriebsräten zu erschweren oder gar zu verhindern, stehen diese nicht allein. Mittlerweile hat sich ein sehr lukrativer Geschäftszweig von spezialisierten Anwaltskanzleien, Unternehmensberatern, PR-Agenturen und Wirtschaftsdetekteien entwickelt, die am Betriebsrats-Bashing gut verdienen und für interessierte Arbeitgeber professionelle Unterstützungsangebote anbieten. Es werden beispielsweise Schulungen angeboten, wie Betriebe von unliebsamen Betriebsräten gesäubert werden bzw. diese auf Linie gebracht werden können. Bereits im Jahr 2003 protokollierte beispielsweise ein anonymer Gewerkschafter das Seminar „In Zukunft ohne Betriebsrat (BR)“, das eine bekannte Kanzlei damals regelmäßig für Manager und Unternehmer abhielt. In diesem Seminar wurden verschiedene Strategien vorgestellt, wie ein Unternehmen „betriebsratsfrei“ gemacht werden könne. So wurde beispielsweise vorgeschlagen, große Betriebsräte durch die gezielte Ausgliederung einzelner Betriebsbereiche zu zerschlagen und in ihrer Handlungsfähigkeit zu schwächen.

Weiterhin wurde diskutiert, wie alternative (arbeitgebernahe) Beschäftigungsvertretungen in Konkurrenz zu Betriebsräten gegründet werden können. Darüber hinaus wurden Strategien vorgestellt, Auflösungsanträge nach § 23 BetrVG gegen den Betriebsrat zu stellen bzw. die Betriebsratswahl anzufechten und massenhafte Abmahnungen und Kündigungen gegen Betriebsräte auszusprechen, die sich zwar später in der Regel als rechtswidrig herausstellen, aber die Betriebsräte in ihrer Handlungsfähigkeit einschränken (Anonymus: „In Zukunft ohne Betriebsrat“. Praxisseminar Schreiner. Protokoll eines ver.di-Mitarbeiters, der undercover teilnahm, Ort und Zeit unbekannt. Labournet 10.9.2003. www.labournet.de/archiv/gewerkschaft/btrvg/ohnebr.pdf, abgerufen 15.2.2013).

Darüber hinaus wird eine konkrete juristische Unterstützung angeboten. Arbeitgeber werden in ihrer harten Linie gegen Betriebsräte bestärkt und ihnen wird das rechtliche Handwerkszeug an die Hand gegeben, um diese Linie auch durchzusetzen. Da die meisten Betriebsräte keine eigene (dauerhafte) anwaltliche Vertretung haben, sind sie in dieser Situation meist strukturell unterlegen. Manch engagierter Betriebsrat hat schon ein bestimmtes Projekt nicht weiterverfolgt, weil der Anwalt des Arbeitgebers in einem langen Schreiben juristisch hochtrabend erklärt hat, warum der Betriebsrat in dieser Frage kein Mitbestimmungsrecht haben soll. Diese Entwicklung ist betriebsverfassungsrechtlich sehr bedenklich. Viele dieser Unterstützungsstrukturen bewegen sich in der Grauzone zur Anstiftung bzw. Beihilfe zu einem rechtswidrigen Verhalten.

In den USA ist sind die verschiedenen Netzwerke der Union-Baster und Betriebsrats-Basher bereits seit vielen Jahren ein milliardenschwerer Wirtschaftszweig. Auch in Deutschland ist mit der Arbeit gegen Betriebsräte und gewerkschaftliches Engagement eine Menge Geld zu verdienen, Tendenz steigend.

Was tun?
Um wirksam gegen Betriebs-Bashing vorzugehen, ist es wichtig, die dahinterstehende Strategie zu verstehen und diese in die eigenen Überlegungen mit einzubeziehen. Wenn der Arbeitgeber auf Isolierung und Einschüchterung abzielt, sollte Solidarität im Betrieb und darüber hinaus organisiert werden. Wenn Nebenschauplätze aufgemacht werden, diese auch als solche erkennen/behandeln und nicht den Blick auf die wichtigen Konfliktfelder verlieren.

Dementsprechend ist Betriebsrats-Bashing auf verschiedenen Ebenen gegenüberzutreten. Zum einen sollte selbstverständlich von den Betroffenen juristisch gegen die Störung der Betriebsratstätigkeit vorgegangen werden. Vieles kann dabei auf den betreuenden Anwalt ausgelagert werden, damit nicht unnötig viele Kapazitäten des Betriebsrates mit Abwehrkämpfen gebunden werden. Darüber hinaus gilt es im Betrieb Unterstützung zu organisieren. Der Betriebsrat sollte versuchen, nicht dem Arbeitgeber die Deutungshoheit über den Konflikt zu überlassen. Dazu können die betrieblichen Mittel der Öffentlichkeitsarbeit, wie Rundschreiben, Aushänge am schwarzen Brett oder die Behandlung des Konflikts auf einer Betriebsversammlung genutzt werden. Es empfiehlt sich weiterhin, den Konflikt möglichst sachlich darzustellen und zu erklären, wo die Konfliktlinien sind, was die Position des Betriebsrates ist und zu verdeutlichen, dass es sich letztlich um einen Angriff auf die kollektiven Interessen aller Arbeitnehmer des Betriebes handelt. Getroffen ist der Betriebsrat, aber gemeint sind alle.

Gleichzeitig hat es sich bewährt auch über den Betrieb hinaus nach Unterstützung zu suchen, bspw. beim Gesamtbetriebsrat, der Gewerkschaft oder auch durch die Medien.

Dabei ist es ein schmaler Grat zwischen notwendiger Aufklärung der Belegschaft und emotionaler Skandalisierung. Gerade wenn Arbeitgeber versuchen den Betriebsrat als überflüssiges Gremium darzustellen, welches sich nur mit sich selbst beschäftigt und unnötig viel Geld kostet, sollte der Betriebsrat nicht das Bild abgeben, was der Arbeitgeber von ihm zeichnet. Häufig besteht die irrationale Hoffnung bei einem Teil der Beschäftigten, dass mit dem Betriebsrat auch der Konflikt verschwindet und dann endlich wieder „Ruhe“ ist. Wenn sich der Betriebsrat nicht als Schreihals und Störenfried präsentiert, sondern als seriöse und ernsthafte Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die angegriffen wird, eben weil sie ihren Job macht, fällt es deutlich leichter, im Betrieb Unterstützung zu organisieren.

Der Betriebsrat hat aber auch bei aller Notwendigkeit von Abwehrkämpfen aufzupassen, sich nicht einfach auf den gewünschten Nebenschauplatz drängen zu lassen. Die Aufgabe des Betriebsrats ist es, sich für die Interessen der Kolleginnen und Kollegen einzusetzen. Es empfiehlt sich daher zu versuchen, den Kolleginnen und Kollegen zu verdeutlichen, dass deshalb gegen den Betriebsrat vorgegangen wird, eben weil er sich für die Kollegen einsetzt. Das heißt dann aber auch, dass zentrale Probleme im Betrieb und Wünsche aus der Belegschaft auch kontinuierlich und beharrlich angegangen werden sollten und nicht zugunsten des aktuellen Konfliktes mit dem Arbeitgeber untergehen.

Praxistipp:

Der beste Weg, die Kolleginnen und Kollegen von der Notwendigkeit eines Betriebsrates zu überzeugen, ist zu zeigen, dass der Betriebsrat sich für sie einsetzt und auch konkrete Verbesserungen erreicht. Der Betriebsrat sollte sich daher zunächst unter den verschiedenen Wünschen und Verbesserungsmöglichkeiten vor allem auf solche Themenfelder konzentrieren, bei denen er besonders starke Mitbestimmungsrechte hat. Dies sind vor allem Themen der sozialen Mitbestimmung (§ 87 BetrVG). Hier können Verhandlungen mit dem Arbeitgeber erzwungen werden und notfalls kann ein konkretes Ergebnis im Wege der Einigungsstelle erreicht werden. Sobald der Betriebsrat sich für ein solches „gewinnbares“ Thema entschieden hat, sollte er dies in der Belegschaft breit kommunizieren und für Unterstützung werben. So kann die Wichtigkeit eines Betriebsrates am praktischsten demonstriert werden, weil er konkreten Nutzen hat.

Forderungen an die Politik

Auch die Politik ist gefragt, für einen besseren Schutz von Betriebsräten zu sorgen und insbesondere die Ahndung von Betriebsrats-Bashing zu verbessern. Im Oktober letzten Jahres wurden durch die Bundestagsfraktionen von „BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN“ und „DIE LINKE“ jeweils eigene Gesetzesanträge zu Reformvorschlägen des BetrVG eingereicht, welche sich auch mit der Problematik von Betriebsrats-Bashing beschäftigten und konkrete Vorschläge machten, wie beispielsweise die Erhöhung von Bußgeldern und verbesserte Schutzvorschriften für Wahlbewerber und befristet beschäftigte Betriebsratsmitglieder. Beide Anträge fanden jedoch keine Mehrheiten, der politische Handlungsbedarf bleibt bestehen.

Konkrete Verbesserungsvorschläge

1. Zugang zu Sachverständigen verbessern
Aktuell verlangt § 80 Abs. 3 BetrVG, dass der Betriebsrat vor Hinzuziehung eines Sachverständigen, bspw. für die Beratung und Erstellung einer Betriebsvereinbarung zuvor eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitgeber treffen muss. Dies führt in der Praxis immer wieder zu Schwierigkeiten und zu Verzögerungen, weil der Arbeitgeber die Erforderlichkeit der Hinzuziehung bestreitet. Hier wäre eine Änderung des § 80 Abs. 3 BetrVG wünschenswert, nach der der Betriebsrat ohne Vereinbarung mit dem Arbeitgeber die Unterstützung eines Sachverständigen hinzuziehen kann, wenn dies für seine Arbeit erforderlich ist. Damit der Arbeitgeber nicht schutzlos gestellt wird, sollte dieser in Konfliktfällen die Einigungsstelle anrufen können um dort eine Einigung herbeizuführen.

2. Rechtliche Ahndung von Verstößen verbessern
Die rechtlichen Rahmenbedingungen, um gegen Betriebsrats-Bashing vorzugehen, müssen verbessert werden. Dazu gehört einerseits, dass die bestehenden Ordnungs- und Zwangsgelder erhöht werden müssen. Es ist rechtsdogmatisch nicht nachzuvollziehen, dass in jeder zivilrechtlichen Nachbarschaftsstreitigkeit Ordnungsgelder von bis zu 250.000 EUR verhängt werden können, bei betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten die Ordnungsgelder aber auf 10.000 EUR begrenzt sind. Diese unzulässige Privilegierung muss beendet werden. Auch ist über die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften nachzudenken, um die spezielle Materie der betriebsverfassungsrechtlichen Straftaten effektiver verfolgen zu können.

3. Ein Umlageverfahren zur Finanzierung von Betriebsratskosten schaffen
Ein ständig wiederkehrendes Streitfeld ist die Kostenfrage. Vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen bestehen deshalb Vorbehalte gegen einen Betriebsrat, weil damit notwendigerweise auch Kosten verbunden sind. Betriebsratsmitglieder müssen ganz oder teilweise von ihrer eigentlichen Arbeit befreit werden, es fallen Kosten für Schulungen und Ausstattung des Betriebsrates an. Um auf diese Ängste zu reagieren, wäre ein generelles Umlageverfahren, in das alle Unternehmen einzahlen und aus dem in einem gewissen Umfang die Kosten der Betriebsratstätigkeit finanziert wird (beispielsweise bis zu einer Betriebsgröße von 100 oder 200) ein guter Ansatz. So könnte vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen Ängste auf Arbeitgeber- und auch Arbeitnehmerseite abgebaut werden, dass die Kosten des Betriebsrates eine zu starke wirtschaftliche Belastung sein könnten. Mit dem Umlageverfahren U1, U2 und U3 existieren bereits ähnliche Regelungen im Arbeitsrecht für den Bereich des Krankengeldes, des Mutterschutzes und der Insolvenz von Unternehmen.

Unsere Forderungen:
1.    den Zugang zu Sachverständigen für den Betriebsrat verbessern
2.    die rechtliche Ahndung von Verstößen verbessern
3.    ein Umlageverfahren zur Finanzierung von Betriebsratskosten schaffen

Kostenhinweis für Betriebsräte

Jeder Sachverhalt ist unterschiedlich. Darum beraten wir Betriebsräte ganz individuell und bieten ihnen maßgeschneiderte Lösungen für jeden Einzelfall. Die Beratung ist kostenpflichtig. Der Arbeitgeber ist jedoch verpflichtet, gemäß § 40, ggf. in Verbindung mit § 80 Abs. 3 BetrVG die erforderlichen Kosten für eine Rechtsberatung des Betriebsrats zu übernehmen. Gerne können Sie kostenlos und unverbindlich Kontakt mit uns aufnehmen. Wir informieren Sie dann vorab über die Höhe der zu erwartenden Kosten und die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers.