Das Recht auf einen Bürohund

„Arbeit ohne Bürohund ist möglich, aber sinnlos“

(in leichter Abwandlung von Loriots Bonmot über das Leben ohne Möpse)

Viele arbeitsrechtliche Artikel, die im Internet zu finden sind, beginnen mit der Feststellung, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf haben, ihren Hund mit an den Arbeitsplatz zu nehmen. Vielmehr sei dies die alleinige Entscheidung des Arbeitgebers. Diese Ausführungen sind arbeitsrechtlich im Sinne der Wiedergabe eines Grundsatzes des Individualarbeitsrechts nicht falsch, aber einseitig und daher problematisch. So verfestigen sie eine in den Unternehmen und Dienststellen weit verbreitete Praxis, die davon ausgeht, dass die Mitnahme des Hundes an den Arbeitsplatz „selbstverständlich“ verboten, allenfalls und das auch nur im Einzelfall geduldet sei.

Der Hund als Thema der arbeitsrechtlichen Fachliteratur!

Auch in der arbeitsrechtlichen Fachliteratur hat der Hund inzwischen eine gewisse Position erlangen können. So schreibt beispielsweise Dietlinde-Bettina Peters in ihrem Buch „Das Weisungsrecht der Arbeitgeber“, 2. Aufl. 2021, Rdn.710 unter der Überschrift „Verbot, Tiere zur Arbeit mitzubringen“ realistisch und zugleich emphatisch tierfreundlich: „Der Hund als Haustier erfreut sich wachsender Beliebtheit“. Zutreffend stellte Loriot fest: „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos“. Die anhänglichen Tiere wären am liebsten Tag und Nacht bei ihrem Herrchen oder Frauchen. Glücklich sind diejenigen, die ihren Vierbeiner mit zur Arbeit nehmen können. Unglücklich sind diejenigen, denen das Mitbringen des Hundes später wieder verboten wird“.

Individualrechtliche schwache Rechtsposition des:r hundeaffine:n Beschäftigten

Die herrschende Auffassung schildert zumeist ausschließlich die tatsächlich relativ schwache individualarbeitsrechtliche Position des:r Beschäftigten. Nur in seltenen Fällen ist bereits im schriftlichen Arbeitsvertrag die Gestattung, den Hund mit zum Arbeitsplatz zu nehmen, vereinbart worden. Zumeist beruht die Anwesenheit auf Duldung, die aber im Regelfall nicht zur konkludenten Vertragsänderung führt und daher als Weisung jederzeit wieder geändert werden kann. Bei Rücknahme der Gestattung durch Weisung bedarf es allerdings einer Abwägung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerinteressen, die im Einzelfall auch zugunsten des:r Beschäftigten ausgehen kann. Allerdings – so wird in der Literatur regelmäßig betont – sei auf Arbeitgeberseite ein berechtigtes, sogar „starkes“ Interesse dahingehend gegeben, dass durch das Tier keine betrieblichen Abläufe gestört werden, insbesondere auch die Kollegen angstfrei ihrer Arbeitstätigkeit nachgehen können. Das Interesse des:r Beschäftigten, einen Hund mit zum Arbeitsplatz nehmen zu können, tritt zumeist hinter dieses Interesse des Arbeitgebers zurück.

Individualarbeitsrechtliche Weisung ist regelmäßig unwirksam

Zwar kann sich der Arbeitgeber für sein Weisungsrecht auf § 106 der Gewerbeordnung berufen. Nach § 106 GewO kann der Arbeitgeber nach billigem Ermessen näher Ordnung und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb bestimmen, soweit sie nicht gegen den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften verstoßen. Eine Weisung, die gegen eine zwingende betriebsverfassungsrechtliche oder personalvertretungsrechtliche Vorgabe verstößt, ist aber unwirksam. Eine Weisung darf nach § 106 GewO nicht gegen Gesetze verstoßen. Sie darf daher auch nicht gegen § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz bzw. § 80 Abs. 1 Nr. 18 BPersVG verstoßen. Danach ist für Maßnahmen zur Regelung des Ordnungsverhaltens die Zustimmung des Betriebsrats/des Personalrats erforderlich.

Die Interessenvertretung der Beschäftigten hat dem Verbot zugestimmt

Soweit eine Zustimmung der zuständigen Arbeitnehmervertretung vorliegt, muss die Ermessensentscheidung, ob der oder die Arbeitnehmer*in den Hund mit an den Arbeitsplatz nehmen kann, „billig“, also gerecht sein. Hierzu gehört zumindest, dass alle wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Auch die Interessen des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin müssen somit in die Abwägung mindestens einfließen. Die Interessenabwägung ist von den Gerichten nachprüfbar. Der dem Arbeitgeber nach § 106 GewO zukommende Ermessensspielraum ändert nichts daran, dass die Entscheidung mitbestimmungspflichtig bleibt. Gerade bei Ermessensspielräumen ist die Mitbestimmung eröffnet. Das Direktionsrecht kann sich auch auf Ordnung und Verhalten der Arbeitnehmer bzw. Beamten beziehen. Beim Ordnungsverhalten geht es um das betriebliche Zusammenwirken und Zusammenleben, das der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts und seiner Organisationsbefugnisse beeinflussen und koordinieren kann.

Beispiele aus der Rechtsprechung zu sonstigem mitbestimmungspflichtigem Ordnungsverhalten sind:

  • Die Frage, ob am Arbeitsplatz Radio gehört werden darf (BAG vom 14.01.1986-1 ABR 75/83)
  • ob, ein Rauchverbot verhängt werden darf (BAG 19.01.1999 – 1 AZR 499/98, NZA 1999, 546).

Eine Mitbestimmung scheidet nur dann aus, wenn durch Gesetz, Verordnung oder Verwaltungsakt kein Regelungsspielraum für eine Arbeitgeberentscheidung verbleibt. Dies sollte der BR/PR zuvor von einem Sachverständigen prüfen lassen.

Verbotsverfügung des Arbeitgebers ist häufig unwirksam

Ein Verbot, Hunde mit zum Arbeitsplatz zu nehmen, ist auch individualarbeitsrechtlich nur dann wirksam und damit rechtmäßig, wenn das vom Arbeitgeber ausgesprochene Verbot mit Zustimmung der Betriebsräte oder Personalräte erfolgt. Ein ohne Zustimmung der Arbeitnehmervertretungen ausgesprochenes Verbot ist unwirksam und muss nicht befolgt werden. Die Betroffenen sollten sich in dieser Situation zunächst einmal an den Betriebsrat oder Personalrat wenden und mit diesem ein Gespräch über die Problematik führen. Wie sie darüber hinaus taktisch vorgehen sollten, hängt vor allem von der Reaktion des BR/PR ab. An dieser Stelle ist zunächst erst einmal festzuhalten und zu betonen, dass das rechtlich oder faktisch verhängte Verbot in vielen Betrieben oder Dienststellen oft bereits deshalb unwirksam ist, weil es an der fehlenden Zustimmung oder einer wirksamen Betriebsvereinbarung oder Dienstvereinbarung, die diese Fragestellung regelt, fehlt.

Das Verbot ist eine Regelung des Ordnungsverhaltens und daher mitbestimmungspflichtig

Das Verbot, Hunde zum Arbeitsplatz mitnehmen zu dürfen, betrifft das so genannte Ordnungsverhalten des Beschäftigten im Betrieb. Betriebsrat bzw. Personalrat haben ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Ziffer 1 BetrVG bzw. § 80 Abs. 1 Nr. 18 BPersVG im Hinblick auf Fragen der Ordnung und das Verhalten der Beschäftigten im Betrieb. Dies bedeutet, dass der Betriebsrat bei Richtlinien, Anordnungen oder Weisungen des Arbeitgebers, die das Ordnungsverhalten betreffen, zu beteiligen ist. Liegt keine Zustimmung des BR vor, ist die Anordnung auch individualarbeitsrechtlich gegenüber dem oder der einzelnen Arbeitnehmer:in unwirksam (ständige Rechtsprechung des BAG). Dies gilt auch im Einzelfall, wenn ein kollektiver Bezug vorliegt, der Grund also nicht in der Person des oder der Arbeitnehmer:in, sondern in der potenziellen Störung betrieblicher Abläufe, der Ängste anderer Kolleg:innen oder des nichtgewünschten Kontakts mit Dritten besteht.

Verschiedene Handlungsmöglichkeiten der Interessenvertretungen

Der Betriebsrat bzw. Personalrat hat mehrere Handlungsmöglichkeiten:
Er kann der vom Arbeitgeber gewünschten Verbotsanordnung zustimmen oder die Anordnung ablehnen. Er kann schließlich die Zustimmung vom Abschluss einer Betriebsvereinbarung bzw. Dienstvereinbarung „Mitnahme von Hunden in den Betrieb“ abhängig machen. Letzteres ist zu empfehlen, da eine digitale Regelung, also einfach nur Verbot oder Erlaubnis der zu regelnden Materie nie gerecht werden kann. Beispielsweise wäre es nicht sinnvoll, zu erlauben, dass ein Hund mitgebracht werden darf, obwohl dieser an der Arbeitsstätte keinen hundegerechten Platz erhält oder die Frage der Möglichkeit des Auslaufs durch entsprechende Pausenregelungen nicht mitgeregelt wird oder besteht. Auch sollte die Betriebsvereinbarung Regelungen beinhalten, dass Kolleg:innen, die Allergien gegen Hunde haben, vom Hund getrennt und daher geschützt werden oder auch Vorgaben, wie der:die Hundebesitzer:in mit dem Hund umgehen sollte, damit es nicht zu Konflikten kommt. Auch sind Konfliktlösungsverfahren zu vereinbaren, falls es doch zu Konflikten kommt.

Initiativrecht der Interessenvertretungen

Betriebsrat und Personalrat haben bei allen Mitbestimmungsrechten nach § 87 BetrVG bzw. nach § 80 i. V. m.
§ 77 BPersVG ein Initiativrecht, d.h. sie können eine Regelung initiieren und müssen nicht darauf warten, ob und welche Regelung der Arbeitgeber aufstellt. Initiativrecht meint allerdings auch, dass der Betriebsrat im Konfliktfall, eine Einigungsstelle anrufen kann, die verbindlich über nicht lösbare Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betriebsparteien entscheidet. Der allererste Schritt besteht allerdings darin, dass sie selbst eine Position erarbeiten. Wie bereits erwähnt, sollte diese nicht allein darin bestehen, eine digitale Position für oder gegen das Recht auf ein Bürohund festzulegen, sondern differenzierte Regelungen, die ein harmonisches Miteinander zwischen Bürohund und den menschlichen Kolleg:innen gewährleisten können.

Mitbestimmung bei betrieblichen Regelungen des Gesundheitsschutzes

Schließlich ist festzuhalten, dass nach einigen empirischen Befunden, die Gesundheit der Arbeitnehmer:innen durch die Anwesenheit von Hunden und den Kontakt mit ihnen befördert werden kann. Insoweit ist ein weiteres Mitbestimmungsrecht angesprochen. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bzw. § 80 Abs. 1 Nr. 16 BPersVG haben der BR/Personalrat auch ein Mitbestimmungsrecht bei betrieblichen Regelungen, die mittelbar oder unmittelbar der Gesundheit dienen. Auch hier können und sollten Regelungen vereinbart werden, die sinnvoll sind, um Konflikte zwischen Mensch und Tier vermeiden zu helfen. Übrigens soll die Anwesenheit von Tieren nicht nur die Arbeitsmotivation erhöhen, sondern auch helfen, Konflikte unter Menschen besser in den Griff zu bekommen.

25.07.2022, Thomas Berger